Rödelberghof
Station 9 – verzeihen
Ankommen
Schon zu allen Zeiten haben sich die Menschen gefragt, wo Gott ist und wie er aussieht. Leider gibt es dazu keine befriedigende Antwort. Was wir aber wissen ist, wie Gott ist. Dazu hat uns Jesus einige Geschichten erzählt, alle in die Form eines Gleichnisses verpackt. Eine davon ist die Geschichte „Vom verlorenen Sohn“.
Fragen vorab
Wie ist mein Vater?
Wie wünsche ich mir meinen Vater?
Erfahrungen
Nicht alle haben einen guten Draht zu ihrem Vater. Viele, besonders ältere Menschen, erinnern sich an einen strengen Vater, der alles verboten und jede Kleinigkeit bestraft hat. Manche hatten große Angst vor ihrem Vater und sind dann auch früh aus dem Haus geflohen. Väter, die aus dem Krieg oder der Gefangenschaft nach Hause kamen, hatten etwas „Militärisches“ an sich, waren für Zucht und Ordnung. Ich erinnere mich an meine Grundschulzeit, die ich bei meinem Vater verbrachte und den ich vormittags mit Herr Lehrer ansprach und nach der Schule mit Papa. Da war beim morgendlichen Frühsport „Drill“ angesagt: eins, zwei, drei vier und eins, zwei, drei, vier. Manchmal habe ich mich vor Angst unter den Tisch verkrochen. Damals war auch noch körperliche Gewalt angesagt: Ohren langziehen, Hintern versohlen usw.
Auch heute hört man von Vätern, die Schlimmes mit ihren Kindern tun. Menschen, die negative Erfahrungen mit ihrem Vater gemacht haben, haben oft Schwierigkeiten, Gott als ihren Vater anzusehen. Wenn Gott mein Vater sein soll und ich mich an meinen eigenen Vater erinnere, dann: Nein Danke!
Und gerade deshalb ist es so gut und wichtig, dass uns Jesus ein ganz anderes Bild von seinem Vater zeichnet. In vielen Beispielgeschichten erzählte er den Menschen, wie er ist. Schaut her, hört zu, so ist euer Gott.
Auch diese Geschichte „Vom verlorenen Sohn“, ist eigentlich eine Vater-Geschichte.
Fragen
Wie geht es dem Vater, als der verloren geglaubte Sohn heimkehrt?
Wie geht es dem Sohn, nachdem er so begrüßt wurde?
Wie passt das Bild von diesem barmherzigen Vater zu dem, was du dir von deinem eigenen Vater wünschst?
Wie geht es der Mutter? Wenn von ihr in der Geschichte erzählt werden würde, wie würde die Mutter sich verhalten?
Wie wünsche ich mir meine Mutter?
Wie verhalte ich mich als Mutter oder als Vater? Was gelingt mir gut? Was möchte ich besser machen?
Nachlesen
Lukasevangelium 15,11-25
Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne.
Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie.
Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.
Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land, und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.
Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm.
Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.
Ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner!
Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küßte ihn.
Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße.
Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße
und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; laßt uns essen und fröhlich sein!
Denn dieser a mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Weiterdenken
Was für ein Vater!
Für mich hat diese Geschichte einen ganz besonderen Stellenwert in meinem Leben. Hier erfahre ich einen Vater, der mich in den Arm nimmt. Egal, was passiert oder ich gemacht habe, vielleicht auch große Fehler oder ein Versagen, er streckt seine Arme nach mir aus. Und ich kann es wagen, immer in diese ausgestreckten Arme zu flüchten. Da fühle ich mich geborgen, da kann mir keiner was!
Wer macht denn heute solch eine Erfahrung? In vielen Fernsehserien sieht man Väter, die nicht mehr mit ihren Söhnen reden, weil sie nicht das Leben führen, das der Vater für sie ausgedacht hat. Sie sollen studieren, sie sollen den Betrieb übernehmen, sie sollen den Hof weiterführen – nur der Sohn hat andere Interessen. Er will Musiker werden oder Aussteiger oder Schriftsteller. Alles, nur nicht das väterliche Erbe antreten. Und schon ist der Streit vorprogrammiert. Ein Wort gibt das andere und schwupp, ist der Sohn ausgezogen. Kein Kontakt mehr, kein Telefonat. Du bist nicht mehr mein Sohn! Beide leiden, aber keiner gibt nach. Wenn der Vater kein Verständnis aufbringt, gibt es kein zurück.
In unserer Geschichte finden wir einen ganz anderen Vater vor. Der Sohn will weg von zu Hause, der Vater zahlt ihn aus. Er ist nicht böse auf seinen Sohn, eher traurig, dass er ihn verlässt. Man kann sich vorstellen, dass er immer an seinen Sohn denkt und auf eine Rückkehr hofft. Die findet statt, aber ganz anders, als erwartet. Der Sohn hat inzwischen sein ganzes Erbe durchgebracht, ist mittellos und verkommen. Er traut sich kaum vor seinen Vater zu treten, doch die Not ist zu groß, er sieht keinen anderen Ausweg. Was wird werden? Ob er mich annimmt?
Doch welche Überraschung: Der Vater kommt ihm entgegen, breitet seine Arme aus, freut sich so sehr, seinen Sohn wieder zu haben, dass er ein großes Festmahl vorbereiten lässt. Er ist so glücklich, dass er seine Freude mit den Nachbarn und Freunden teilen möchte.
Beten
Gott, voller Liebe wie eine Mutter und gut wie ein Vater,
nach Deiner Nähe sehne ich mich,
ich möchte immer bei Dir bleiben, dann fühle ich mich sicher und geborgen.
Aber manche Lebenswege führen weg von Dir,
dann fehlt mir etwas, dann bin ich unruhig.
Gut, dass ich immer wieder in Deine Arme fliehen kann,
gut, dass Du immer wieder deine Hand nach mir ausstreckst.
Du lässt mich nicht fallen, Du richtest mich immer wieder auf.
Danke Gott für Deine Nähe. Amen.
der zweite Sohn
Aber der Vater hat noch einen zweiten Sohn. Der lebt bei ihm zu Hause. Der ist eifersüchtig auf den jüngeren Bruder. „Vater, ich arbeite täglich hier bei dir und gebe mein Bestes, für mich hast du noch nie so ein Fest veranstaltet. Aber für den, der ein Lotterleben geführt hat und nun mittellos ist, für den machst du jetzt so einen Wirbel.“ – Hören wir, wie es diesem zweiten Sohn ergeht:
Nachlesen II
Lukasevangelium 15,25-32
Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre.
Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn.
Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre.
Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verpraßt hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.
Fragen II
Ja, wie findest du das? Ist der Vater hier gerecht?
Welcher Sohn wärst du denn gerne gewesen?
Versetze dich in die Rolle eines Sohnes und beschreibe deine Empfindungen.
Welches Bild von Gott ergibt sich aus der Perspektive des zweiten Sohnes?
Weiterdenken II
Der zu Hause Gebliebene hatte immer einen guten Draht zu seinem Vater. Das sind die Menschen, die Gottes Nähe spüren und sich mit Gott in Verbindung wissen. Es geht ihnen gut, weil sie sich unter Gottes Schutz im Leben sicher fühlen. Sie sind wohl nie durch die Tiefen des Lebens gegangen. „Mein Sohn, Du bist doch immer hier bei mir. Dir ist es doch immer gut gegangen. Sei doch froh.“
Aber manche Menschen wollen Gott für sich allein. „Ich gehe doch immer in die Kirche und bete jeden Tag und führe ein tadelloses Leben. Also gehört mir ein Platz beim Vater. Und all die anderen, die sich von Gott entfernt haben, haben doch selbst schuld. Um die sollte sich Gott dann auch nicht kümmern!“ Aber Gott ist anders. Er nimmt den verloren geglaubten Sohn mit voller Freude auf, geht ihm sogar entgegen. „Komm, freu dich doch auch mit uns. Er ist doch dein Bruder!
Singen
aus dem Evangelischen Gesangbuch Nr. 631
In Gottes Namen wollen wir suchen, was verloren ist
zum Hören und Mitsingen:
Mitnehmen
Bildkärtchen zur Erinnerung an Gott als einen liebevollen Vater mitgeben.
Erfahrung im Job
Das mit der Gerechtigkeit ist so eine Sache. Unter uns Menschen und noch mehr im Verhältnis zu Gott und im Alltag erst recht. Der zuhause gebliebene Sohn fühlt sich verletzt und gekränkt. Obwohl ihm nichts genommen wird, ärgert es ihn, dass sein Bruder etwas zugesprochen bekommt, was er nicht verdient hat.
Der Firma geht es gut. In diesem Jahr sind die Auftragsbücher voll, wir haben ordentliche Gewinne gemacht. Der Eigentümer zahlt einen extra Bonus aus. 500 €, einmalig, für jede und jeden. Unabhängig von der Position im Unternehmen. Alle haben sich eingesetzt, geackert und nicht immer so genau auf die Uhr geschaut. Was zu tun war, wurde erledigt. Egal ob an der Maschine, im Büro, im Lager, in der Küche, in der Produktionshalle. Jede und jeder wird gewürdigt und erhält die 500€. In diesem Fall geht es mal nicht um Hierarchie, sondern um Einsatz, alle erhalten dieselbe Wertschätzung. Sie fühlen sich gesehen, auch die, die länger krank waren oder wegen der Kinder zeitweilig ein paar Stunden weniger arbeiten konnten. Fast alle freuen sich, fast alle.
Zwei beschweren sich beim Betriebsrat, es sei ungerecht, dass der Horst und die Claudia auch die vollen 500 € bekommen haben. Obwohl die beiden öfter
in der Kaffeeküche gesehen wurden. Auch konnte man den Horst beobachten, dass er an manchen Tagen früher nach Hause gegangen ist.
Auf Nachfrage erklären die beiden, es gehe nicht darum, dass ihnen selbst mehr zustehen würde, sondern es sei einfach ungerecht, dass die anderen beiden auch den vollen Betrag erhalten. Sie sollen jeweils nur 250 € bekommen, dann wäre es gerecht.