Liebe Leserinnen und Leser,
es gibt in der christlichen Kunst unzählige Darstellungen des schmalen und des breiten Weges: Ein steiniger, enger Pfad, an dessen Ende sich ein Regenbogen, das Paradies oder der Himmel findet, und eine breite, komfortable Straße, an deren Ende es oftmals brennt. Diese Darstellungen sind schon eindrucksvoll, geben Sie das gerne mal in die Suchmaschine Ihres Vertrauens ein. Die Botschaft dahinter: Ihr müsst euch heute entscheiden, ob ihr nach links oder rechts gehen wollt. Aber täuscht euch nicht, der Schein mag trügen und der Weg zum Glück oder zur Rettung ist kein roter Teppich.
Entscheidungen, die ich heute treffe, haben morgen Konsequenzen. Und ein kluger Weitblick ist oft sinnvoller und segensreicher als eine Entscheidung, die auf Sicht gefällt wird. Bis hierher ist das Bild völlig einleuchtend. Was aber kaum dargestellt wird (oder werden kann): Wohin welcher Weg genau führt, können wir manchmal gar nicht absehen. Die Vogelperspektive, aus der die Betrachterin oder Betrachter das Geschehen überblickt, ist nicht das, was der Mensch an der Weggabelung sieht. Auf unseren Wegweiser steht nicht “Rettung” oder “Verdammnis”, nicht “Leben” oder “Tod”, nicht “Liebe” oder “Hass”, sondern wir schreiben darauf unsere eigenen vorsichtigen Hoffnungen und diffusen Wünsche, Ideen und Sehnsüchte. Die haben sicherlich oft mit Liebe und Leben zu tun, aber auf welche Weise mich ein Weg tatsächlich dahin führt, weiß ich erst hinterher. Eine Entscheidung führt zur nächsten, wir gehen wieder eine paar Schritte zurück, drehen eine Extrarunde und sammeln dabei Erfahrungen, bauen Beziehungen auf und entwickeln Werte. Ein Lebensweg ist selten linear, weder als schmaler Pfad, noch auf der Überholspur der Autobahn.
Die Bilder vom schmalen und vom breiten Weg müssten so gesehen mehr Abzweigungen enthalten, vielleicht ein paar Tunnel von hier nach da. Am Ende wäre dann aus der bekannten Darstellung der zwei Wege ein Labyrinth geworden.
Heißt das: Die guten, schlichten Wahrheiten gibt es heute nicht (mehr)? Wir denken, das ist zu kurz gedacht. Denn verfolgt man den Lebensweg eines einzelnen Menschen durch diese Verzweigungen, dann ergibt sich durchaus eine Linie. Immer wieder wurden Entscheidungen getroffen. Immer wieder gab es Momente, in denen sich dieser Mensch von Gott getragen gefühlt hat hat. Oder in denen er*sie Gott gebraucht hat. Eine späte Entscheidung hätte zu einem früheren Zeitpunkt womöglich ganz anders ausgesehen. Jeder Schritt hat seinen Sinn.
Am Anfang des Weges malen wir unsere eigenen Träume auf die inneren Wegweiser – Am Ende des Weges können wir sie mit den Zielen beschriften, an die wir gelangt sind. Søren Kierkegaard hat das auf die treffende Formel gebracht: “Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.” So heißt auch der Gottesdienst, den wir am Sonntag in Gronau feiern. Und auch Paulus erlebt etwas, das er erst im Nachhinein versteht – dazu mehr in der Trubelkirche.
Alles Gute für Ihre Wege durch diese Woche und herzliche Grüße!
Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tobias Heymann
Unsere nächsten Gottesdienste – wir freuen uns auf Sie!
So, 03.03. 10h Gronau
“Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden”
So, 03.03 16h Niederdorfelden (Gem.zentr.)
Trubelkirche “Paulus – vom Blitz getroffen”
So, 10.03. 10h Niederdorfelden