Liebe Leserinnen und Leser,
Christ*innen sind sanftmütig, Christ*innen zeigen Liebe allen Menschen. Darin sind Christ*innen stark – nun ja. Schön wäre es, denn wir alle wissen, dass dem nicht so ist. Ob Machtkämpfe in der Kirche oder politische Despoten, die das Christentum ins Feld für ihre Kriege führen und die Notwendigkeit derselben – also der Kriege. Und von unserem eigenen Handeln können wir alle sicherlich ein Lied singen, dass wir nicht die zweite Wange hinhalten, dass wir nicht urteilsfrei durch diese Welt laufen – ach, das wissen wir ja im Grunde unserer Seele auch.
Scheitern wir also an unserem ethischen Anspruch? Sind wir wirklich stark in der Liebe oder eher schwach, weil wir vielleicht im tiefsten Herzen wissen, dass wir eben nicht allen mit dieser großen Liebe – Christ*innen sind eben nicht sanftmütig – begegnen.
Und dann, dann steh ich da, gebeutelt von meiner eigenen Ethik, von der Paulus sagt – haltet mit allen Menschen Frieden (Röm. 12) – und ich halte eben nicht mit allen Menschen Frieden, ich bin eben nicht perfekt liebevolle Christin, eben nicht unvoreingenommen. Meine Sanftmut der Liebe ist oft genug begrenzt, oft genug unvollständig.
Bin ich denn dann noch stakt, wenn ich selbst an der Liebe, an dieser vollkommenen Sanftmut scheitere? Ich werde wütend, auf mich, auf Gott, auf die Welt.
Ich werde wütend auf mich, weil ich an meinem Anspruch scheitere. Ich bin nicht liebevoll gegenüber Rechtsextremen, ich habe da kein Verständnis für, ich bin nicht liebevoll gegenüber Ungerechtigkeit – im Gegenteil. Aber ich soll es doch, bin ich also gescheitert?
Also werde ich wütend auf Gott, der das von mir verlangt, so liest sich ja dann doch die Bibel mit den vielen „tu dies und lass jenes und sei stets liebevoll“. Kann Gott es mir da nicht leichter machen? Muss die Welt denn so ungerecht sein (und ich selbst auch oft genug)?
Und dann, dann frag ich: Gott, bist du da oder ist die Welt einfach böse und sehen die Anderen denn die Ungerechtigkeit nicht? Schreit ihr nicht auch schon längst zum Himmel? Oh du bittre Ungerechtigkeit, davon dass Boote im Mittelmeer sinken und dass Reichtum sich in Yachtentürmen aufbaut. Ich bin wütend.
Wütend auf Gott, die Welt, auf mich – Christ*innen sind sanftmütig, nicht mit mir. Aber die Wut, die liebe Wut, die gibt Power in mir drin, denn wer einmal wütend ist, der hat Energie zur Veränderung. Und die, die ist wunderbar. Wärs nur die Wut, dann wäre es aber sicherlich Gift. Doch bleibt ja all das stehen, was Paulus schrieb im Römerbrief: Übt Liebe – und Wut und Liebe kommt zusammen: Vielleicht werd ich sanftwütend, vielleicht wüte ich einfach sanft in Hoffnung auf mich, die Welt und sowieso mit Gott: So können wir vielleicht das Böse mit Gutem überwinden.
Wir wünschen Ihnen heute – sanfte Wut, Freude und ein wunderschönes Wochenende – vielleicht wollen Sie ja mehr von dieser Sanftwut erfahren, dann schauen Sie gerne vorbei am Sonntag in unserem Gottesdienst in Gronau um 10h.
Bis dahin – herzliche Grüße
Ihre Pfarrer*innen
Maraike Heymann
Tobias Heymann