Liebe Leserinnen und Leser,

im Bücherregal meiner Eltern steht eine zerlesene Ausgabe vom “Kleinen Prinzen” von Antoine de Saint-Exupéry. Keine bunten Bilder, gedruckt auf grauem Papier. Mit Bleistift wurde einiges unterstrichen, zum Beispiel dieser Satz:

Man sieht nur mit dem Herzen gut;
das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Ein Fuchs spricht so mit dem Kleinen Prinzen, der Sehnsucht hat nach einer hochmütigen Rose, die er auf seinem Planeten zurückgelassen hat.

Diese Worte können bedeuten: Achte nicht so sehr auf Äußerlichkeiten, die zeigen dir nur, was einer hat, nicht wer jemand ist.
Oder vielleicht bedeuten sie auch: Uns Menschen macht nicht aus, wie wir für alle sichtbar im Leben stehen – sondern es sind die Beziehungen, die in unser Herz eingeschrieben sind, die erzählen, wer wir sind.

Was diese Worte wohl für meine Mutter bedeutet haben, als sie sie unterstrichen hat?

In der Bibel gibt es eine Geschichte, in der der Prophet Samuel den zukünftigen König salben soll. Gott schickt ihn zu einer bestimmten Familie. Und Samueldenkt sich bei jedem der Kinder, die an ihm vorübergehen: Der ist es! Gott widerspricht ihm aber: Nein, der nicht. Such weiter. Denn:

Der Mensch sieht, was vor Augen ist.
Gott aber sieht das Herz an.

(1. Sam. 16,7)

Was sieht Gott wohl, wenn er das Herz ansieht? Vermutlich sehr viel mehr, als die Info darüber, ob einer oder eine das Zeug hat König oder Königin zu werden. Ähnelt es vielleicht dem, was wir sehen, wenn wir mit dem Herzen sehen?

Angenommen, Gott sieht in unseren Herzen das ganze Geflecht aus Beziehungen, aus gewachsenen Freundschaften, aus Familie mit allem, was dazu gehört, aus Erfahrungen von Liebe und Verliebtsein, von Ablehnung und Sehnsucht, die uns geprägt haben: Dann stehen wir nicht allein vor ihm und werden bewertet. Sondern Gott sieht uns mit unseren Wurzeln, mit den Händen, die wir nach links und rechts in diese Welt ausgestreckt haben.

Angenommen, Gott sieht in unseren Herzen die Fülle an Erinnerungen, den ganzen Reichtum dessen, was wir erlebt haben und es im Herzen immer wieder erleben: Dann zählt nicht nur, was wir heute sind, sondern er sieht uns ausgestreckt in Vergangenheit und Zukunft. Dann sind Relikte wie das zerlesene Taschenbuch mit den Unterstreichungen ein Schatz, der nicht nur sentimentalen Wert hat, sondern wirklich von meiner Mutter zeugt.

Angenommen, Gott sieht in unseren Herzen das, was uns trägt, was uns bis hierher getragen hat, das, woran wir glauben, und unsere Glaubensgeschichte: Dann ist Gott auf der Suche mit uns. Dann zählt nicht nur, ob wir uns heute zu einer bestimmten Überzeugung bekennen und dafür einstehen. Sondern unser Weg durch das Leben und durch den Glauben ist einmalig und wertvoll, mit all den verschlungenen Pfaden, kleinen Kreisen, Sackgassen und Überholspuren.

Sich das vor Augen zu führen tut gut, wann immer es dran ist, wann immer es in den Alltag passt. Ein besonderer und wunderbarer Anlass dafür ist eine Jubelkonfirmation, wie wir am Sonntag in Niederdorfelden feiern und vergangene Woche in Gronau gefeiert haben.

Herzliche Grüße! Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tobias Heymann

Unsere nächsten Gottesdienste
Wir freuen uns auf Sie!
So, 9.06. 14h Niederdorfelden
Jubelkonfirmation
“Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz”

Do, 6.06. 11h Seniorenzentrum Im Niddertal
ökumenischer Gottesdienst – katholisches Team

So, 16.06. 10h Niederdorfelden
Gottesdienst mit Taufe und Abendmahl
“Irgendwo muss es sein”