Liebe Leserinnen und Leser,

Es ist eine heisse Zeit, es sind Tage, die aufwühlen, obwohl manche nur lethargisch in der Ecke liegen wollen. Es ist eine Zeit, in der viele Antworten im Raum schwirren, viele Statements herausgehauen werden, viele Worte gewechselt werden. Und mittendrin ist Jesus mit seinen Freund*innen unterwegs, zieht umher und predigt mit seinen Statements, mit seinen Antworten, Fragen und Gleichnissen, die manchmal mehr, manchmal weniger Aufschluss geben. Es ist eine heisse Zeit im besetzen Israel zur Zeit Jesu – Träume von Freiheit, vom Ende der gewaltsamen Besatzung sind laut, genauso wie Geschäftemacher*innen mit der Besatzungsmacht, wie der Wunsch einfach nur den Alltag zu leben ohne, dass das große Weltgeschehen, die große Politik der Welt dazwischen funkt. Und mitten in dieser Situationen da begegnen sich zwei, eine folgenreiche Begegnung von der Matthäus erzählt (Mt 8,5-10):

Ein Hauptmann der römischen Besatzungsmacht kommt zu Jesus und erzählt von dem Leiden einer seiner Diener. Jesus bietet an zu kommen und zu heilen. Jetzt würde das geübte Bibel-Leseauge vielleicht die Geschichte fort erzählen und sagen: Und der Diener ward zur Stunde gesund, als Jesus die Hand auf dessen Kopf legte etc. Aber das passiert hier gar nicht, denn um die Heilung gehts gar nicht: Der Hauptmann, der will gar nicht, dass Jesus kommt. Er meint, dass könne doch Jesus auch von hier erledigen. Jetzt erwarten wir ein Loblied auf den wahren Glauben dieses Hauptmanns. Ok, das kommt auch tatsächlich – aber viel spannender ist die Begründung für dieses Loblied auf den Glauben des Hauptmanns: Die gibt der Hauptmann nämlich selbst, als er davon erzählt, dass er eingebunden ist in ein klares Hierarchie- und Machtsystem, in dem er viel Macht besitzt über Menschen – Soldaten in den Krieg schicken, Soldaten aus dem Kampf retten, Diener zum Arbeiten zwingen etc. Und genau diese Machtlogik, diese giftige Herrschaftslogik, der möchte er widersprechen, denn er erkennt: Das führt zu keiner Heilung, keiner Rettung. Er bittet Jesus einfach im hier und jetzt um Hilfe. Dieser Glaube wird gerühmt.

Mich fasziniert die Geschichte, dass Glauben hier verstanden wird als etwas ganz anderes als blindes Vertrauen in Gott, anders gefasst wird als ein reines für richtig oder wahr Halten bestimmter Glaubensdogmen – nein, der Glaube, den Jesus lobt, der ist ein Glaube der erstmal beim Hauptmann selbst anfängt und dessen Machtposition, dessen eigenen Privilegien hinterfragt. Der Hauptmann glaubt nicht daran, dass er mit Macht über andere etwas menschliches gewinnen kann, Rettung, Heilung für seinen Diener erreichen kann. Der Hauptmann glaubt nur daran mit Menschlichkeit, mit Liebe, mit Einsicht wo er steht einen Neuanfang zu finden. Mich beeindruckt das zutiefst: Glaube als Haltung, die das Eigene immer wieder hinterfragt und die Zukunft, das Leben, die Hoffnung im Gegenüber sieht, dem ich auf Augenhöhe begegne, bitte, frage und dem ich glaube mit dessen Geschichte, mit dessen Fragen, mit dessen Antworten.

Wir wünschen Ihnen viele Augenhöhe Begnenungen in diesen Tagen – ob auf einem Spaziergang durch die Winterlandschaft, ob auf Demonstrationen für unsere Demokratie, ob Zuhause oder im Gottesdienst,
Herzliche Grüße
Ihre
Pfarrer*innen
Maraike Heymann
Tobias Heyman

Unsere nächsten Gottesdienste
So 21.1. 10h Niederdorfelden – „Unsere Entscheidungen sind es Harry!“

So 28.1. 10h Gronau – „Das letzte Weihnachtslicht“