Liebe Leserinnen und Leser,

o wie ist er sympathisch, dieser Jesus auf der Hochzeit in Kana! Keine Rede von Wasser predigen und Wein saufen, sondern Wasser in Wein verwandeln, für alle. Lebenslust, Feier des Augenblicks, Wert von Traum und Taumel.

Oder müssen wir anders anfangen? O wie ist er prollig, dieser Jesus auf der Hochzeit von Kana! Lässt sich erst bitten und ziert sich, anstatt gleich ein ordentliches Wein-Geschenk mitzubringen. Und dann fabriziert er gleich mehrere hundert Liter. Und kein Fusel, sondern was richtig Gutes, so gut, dass es schon heißt, was kommt der edle Tropfen denn erst jetzt auf den Tisch, wo doch schon alle betrunken sind?

Beide Lesarten erzählen wie so oft viel über den, der diese Geschichte liest, und nicht nur etwas über den, von dem die Geschichte handelt.

Zuerst ist da jemand, der vielleicht sagt, eine Kirche, die mir mit Ernst, mit Demut, mit benimm-dich-mal kommt, kann mir gestohlen bleiben. Die hat noch nicht mal viel mit dem zu tun, auf den sie sich beruft.

Und dann ist da ein anderer, der womöglich sagt, eine Kirche, die sich allzu gedankenlos dem verschreibt, was Menschen leichtsinnig als Lebensfreude bezeichnen, verkennt Gefahren und schließt Menschen aus, die da nicht mitziehen wollen oder können. Und dafür muss nun auch noch Jesus herhalten.

Wir denken, es ist gut, wenn biblische Geschichten dazu einladen, sich hinein zu denken, hinein zu fühlen und auch die ein oder andere Sympathie oder Antipathie zu entwickeln. Dann werden sie lebendig, werden in unseren Köpfen fortgeschrieben und bringen manchmal dazu, Selbstverständliches zu hinterfragen.

Dass Jesusgeschichten langweilig und lebensfern sind, zum Beispiel. Oder dass Jesus nicht nur Gottes Sohn ist, sondern auch immerzu freundlich, bescheiden und angepasst.

Wenn die Figuren aus diesen Geschichten in unseren Köpfen zu sprechen beginnen, sich in der Fantasie selbstständig machen, lässt sich einiges ausprobieren. Das kann unterhaltsam sein und erhellend.

Darf man das denn? Jesus so flach charakterisieren wie beim ersten Anfang – oder Jesus so schlecht machen wie beim zweiten Anfang? Die Geschichte von der Hochzeit zu Kana, wo Jesus Wasser in Wein verwandelt haben soll, wird im Johannesevangelium das “erste Zeichen, mit dem Jesus seine Herrlichkeit offenbarte” genannt. Zeichen, nicht Wunder. Zeichen zeigen etwas, zeigen mehr als: Dieser Jahrgang ist qualitativer als jener, zeigen etwas an über den, der sie tut. Mit anderen Worten: Die Frage: Was ist Jesus für einer? (und auch alle Antworten darauf) sind nicht nur legitim, sondern liegen genau in der Stoßrichtung dieser Geschichte.

Und darum: Her mit der Fantasie, den Ideen, den Spinnereien, den Träumen, den Versuchen, den Zweifeln, den Stimmen aus dem Leben. Jesus wird nicht in Predigten und schlauen Büchern lebendig, sondern in unseren Herzen.

Trotzdem freuen wir uns natürlich, wenn Sie am Sonntag Zeit und Lust haben nach Gronau zu kommen und eine Antwort von uns zu hören auf diese Frage: Was ist das für einer, der Jesus auf der Hochzeit in Kana? Vielleicht passt sie zu dem, was in Ihrem Kopf geschieht – vielleicht auch nicht.

Bleiben Sie behütet,
Herzliche Grüße
Ihre Pfarrer*innen
Maraike Heymann und Tobias Heymann

Unsere nächsten Gottesdienste – wir freuen uns auf Sie!

14.1.2024 10h (Gro)
“Sie haben keinen Wein mehr”
Jesus auf der Hochzeit zu Kana

21.1.2024 10h (Ndf)
“Gut gemeint – schlecht gemacht”