Liebe Leserinnen und Leser,

Jesus hat einmal seinen Freund*innen eine Geschichte erzählt: Ein reicher Mensch feiert ein großes Fest und lädt alle seine Nachbarinnen und Freunde ein. Als alles vorbereitet war, schickte er seinen Diener, die Gäste zu holen. Aber die wollten nicht kommen. Der eine sagte, ich hab mir einen Ochsen gekauft. Die nächste sagte, ich hab einen großen Acker. Zuerst muss ich mich darum kümmern. Keiner von den Eingeladenen kam. Der Gastgeber schickte den Diener dann und sagte: „Hole alle Bettler von der Straße herein und lass uns feiern.“ Doch es war immer noch Platz am großen Tisch. Dann sagte er: „Holt die Schwächsten von den Zäunen, bringt sie alle her – wir feiern!“ Und es wurde ein großes Fest.

So steht die Geschichte im Lukasevangelium. Ich finde sie faszinierend verstörend und herausfordernd.

Erstmal: Endlich sind die Reichen nicht geladen. Sondern, die Armen, die Schwachen, die Erschöpften. Sehen wir nicht uns gerne an dieser Stelle? Irgendwie ja und auch irgendwie nein.

Lukas aber, der Autor des Evangeliums kritisierte immer sehr stark Reichtum und Wohlstand. So sind es auch die Untersten der Gesellschaft, die dann zum Fest kommen: So ehrlich müssen wir sein: In unserem reichen Land sind nicht wir das. Es sind die Menschen, die gerade im Mittelmeer an unsere Grenzen sterben. Es sind die Menschen, die unerträglich lange auf ihre Antragsbearbeitung vom Jobcenter warten. Es sind die Menschen, die unter Bombenhagel leiden. Es sind die Menschen, die auf Grund ihrer Hautfarbe, ihrer Behinderung diskriminiert werden. Ich aber erstmal nicht.

Mich macht diese Geschichte glücklich und wütend zugleich. Was soll ich tun? Ich kenne es oft genug, dass ich Einladungen verschiebe, weil alles andere erst mal wichtiger scheint, dass ich mich an die Dinge kümmern, die mir wichtig sind, dass die Kleidung perfekt sitzt, dass die Möbel gut aussehen, dass ich gut lebe. Ja, ich bin erstmal einer der geladenen Gäste, die nicht zum Fest kommen, weil der eigene Wohlstand wichtiger ist.

Und Gott? Gott hat sich schon längst den ganz Schwachen zugewandt, denen die Lebensgrundlage fehlt: Weil wir mit unserem Lebensstil das Klima ausbeuten, weil wir unsere Grenzen hochziehen und höher.

Und dann, dann steh ich vor der Tür dieses Festsaals und rufe: Gott, erbarme dich, erbarm dich über diese Welt! Ich bin spät dran, aber wenn nicht jetzt, wann ist dann die Zeit umzukehren und zum Fest mit denen zu gehen, die ganz unten sind?

Viel mehr als um Erbarmen bitten bleibt mir nicht – und mich umzuschauen, wo die Schwächsten sind, die gerade untergehen, die gerade leiden – denn diese sind von Gott schon eingeladen.

Wir wünschen Ihnen auch mit diesem nachdenklichen Text nichtsdestoweniger Träume, Träume vom Fest, Einladungen zu hören und anzunehmen, inne zu halten und um Erbarmen zu rufen.

Herzliche Grüße,
Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tobias Heymann