Liebe Leserinnen und Leser,

Die Geschichte, wie Jesus einen Sturm stillt, der ihn und seine Freunde und Freundinnen abends auf dem See Genezareth heimsucht (Mk 4,35-41), kenne ich aus ersten Bilderbüchern und Kinderbibeln gut. Und wie das manchmal bei altbekannten Geschichten ist, lohnt es sich den tief in die Erinnerung eingesunkenen Bilder und Abläufe nicht zu folgen, sondern zu überlegen: Worum geht es denn da eigentlich?

Dass Jesus Wind und Wellen mit einem Wort zum Schweigen bringt, mutet fantastisch an – und wie sehr wünsche ich mir angesichts steigender Temperaturen, Inseln die im Meer versinken, Feuersbrünsten und Extremwetter, er hätte zu uns gesagt: “Geht hin und macht es ebenso!” (Lk 10,37b) Aber so endet die Geschichte nicht. Stattdessen heißt es: Die Jünger und Jüngerinnen hatten weiterhin Angst und fragten sich: “Was ist das für einer, dem Wind und Wellen gehorchen?” Da geht es nicht um Ideen, was stellen wir nun an mit dieser sagenhaften, gottgegebenen Fähigkeit, sondern vielmehr um die Frage, mit wem sind wir eigentlich unterwegs?

Die Bibel gibt verschiedene Antworten auf die Frage, wer Jesus ist. Sohn eines Zimmermanns, Kind aus unklaren Verhältnissen, ein Lehrer, ein Dichter, ein Heiler, jemand, der inspiriert und fasziniert, einer, der nicht aufpasst mit dem, was er sagt, einer der umgebracht wird, einer der sich einfach so umbringen lässt, Gottes Sohn, Sohn Davids, Licht der Welt, die Auferstehung und das Leben. Und hier wird all das noch ergänzt: Jesus war einer, der in der Not gerettet hat und an dessen Seite man trotzdem (oder deswegen?) Angst gehabt hat.

Ist Angst und Vertrauen für Sie ein Widerspruch? Oder Hoffnung und Enttäuschung? Sowohl das eine als auch das andere erleben wir, wenn wir auf die Demokratie setzen und zugleich Sorge um sie haben. Oder wenn Menschen vorsichtig optimistisch bleiben, zumindest die Hoffnung nicht aufgeben wollen, auch wenn die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen Angst machen.
Ähnlich ist es auch mit Glaubensfragen, also mit der Frage danach, was uns hält, was uns unbedingt angeht, worauf wir setzen. Es gibt zwar Menschen, die mit einer inneren Gewissheit beschenkt sind – aber die meisten, die wir kennen, erleben gerade den eigenen Glauben als Landschaft aus innerem Frieden und Zweifeln, aus Hoffnung und Furcht.

Insofern fühlen wir uns den Jüngern und Jüngerinnen in dieser Geschichte, ihrer Angst und ihrer Frage nach Jesus, recht nah. Und diese Geschichte wirkt zwar gewaltig, ist aber kein Einzelfall in der Bibel: In den Psalmen gehen die Betenden Gott oft hart an mit ihrer Angst und Rachefantasien und verwandeln sich wenige Verse später Dichtern über Rettung, Dankbarkeit und Vertrauen. Oder Jesus am Kreuz: Von ihm wird erzählt, er habe voller Vertrauen am Ende gesagt: “Vater, in deine Hände gebe ich meinen Geist” (Lk 23,46) – aber genauso wird berichtet, seine letzten Worte seien gewesen: “Mein Gott, wozu hast du mich verlassen?” (Mk 15,34)

Wir wünschen Ihnen zwischen den Zweifeln und den Hoffnungen, die diese Wochen für Sie mit sich bringen, einen guten, begleiteten Weg. Wir wünschen Ihnen, dass Sie sowohl den Stimmen der Angst als auch denen des Vertrauens zuhören können, ohne sich davon gefangen nehmen zu lassen. Wir wünschen Ihnen in den Stürmen und in der Stille Menschen an ihrer Seite, die mit Ihnen unterwegs sind.

Herzliche Grüße (und vielleicht bis Sonntag)
Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tovja Heymann
Unsere nächsten Gottesdienste – Sind Sie dabei?
So, 9.2. 10h Niederdorfelden
“Furcht und Fragen”
Gottesdienst mit Pfarrerin Dr. Maraike Heymann

Fr, 14.2. 18:30h Gronau
Segen für Liebende, Musik für Herzen, Worte für Seelen – Gottesdienst mit der Kirchenband, Pfarrer*in Tovja Heymann und Team