Liebe Leserinnen und Leser,
“Der Mond ist aufgegangen” von Matthias Claudius (1740-1815) war für mich ein Gute-Nacht-Lied, bevor es ein Kirchenlied wurde. Stimmungen, Vertrauen und Geborgenheit waren lange wichtiger als der Inhalt. Den entdeckte ich später. Zum Beispiel in der dritten Strophe:
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.
Auf der Ebene der Erinnerung ans Kind-Sein geht es hier um Sachkunde: Der Mond zeigt sich in verschiedenen Formen. Es gibt ihm als Vollmond, Halbmond und Neumond. Das Wort ‘Monat’ hängt damit zusammen. Die Veränderung hat mit der Ausrichtung von Sonne und Mond zu tun, der kleine Trabant, der die Erde umkreist, bleibt davon unberührt. Kein Astronaut wird je auf einem Halbmond landen.
Heute lese ich diese Strophe (wenn ich sie denn nur lesen kann, die Melodie denke ich ja doch immer mit) als Reflexion darüber, was Glauben ist und was er mit mir macht. Es gibt so vieles, wovon ich mir ein klares Bild machen kann, weil es so offensichtlich scheint – und dann ist es beim näheren Hinschauen doch anders. Besonders über andere Menschen lässt sich leicht ein Urteil fällen (die eine ist von sich allzu überzeugt, der andere etwas einfach gestrickt, die eine muss alles zehn Mal wiederholen, der nächste ignorant, wenn’s um den eigenen Fahrstil geht usw.). Und dann lernen wir uns kennen und blicken vielleicht tiefer.
Natürlich, manche Menschen lernen wir auch besser kennen und sind über das, was wir in der Tiefe finden, erschrocken. Und bei anderen Menschen sind wir gehemmt sie näher kennenzulernen, irgendwie stimmt die Chemie zwischen uns einfach nicht. Ab und zu gelingt es dann sich daran zu erinnern, dass so ein Empfinden oder Urteil tatsächlich nur das ist: Unser Blick, nicht mehr und nicht nicht weniger. Keine allgemeingültige Wahrheit, nicht die Perspektive der Mutter dieses Menschen, nicht die Perspektive eines Freundes, nicht die Perspektive Gottes. Gut möglich, dass aus diesen Blickwinkeln dieser Mensch ganz anders erscheint. Vielleicht kann ich das zählen lassen bei meinen Gedanken über ihn.
Und was hat der Glaube mit solchen Meinungen über andere Menschen zu tun? Beides ist etwas, das mir erst einmal als gegeben und völlig klar erscheint. Beides darf wachsen und sich verändern. Und beides enthält noch viel mehr, als wir uns in diesem Moment vorstellen können.
Wir laden Sie ganz herzlich zum Gottesdienst am Sonntag in Gronau ein. Um den Glauben geht es dabei natürlich auch – allerdings nicht nur um seine heimelige Seite, die in “Der Mond ist aufgegangen” durchschimmert, sondern auch um eine unheimlich und monströse.
“Der Mond ist aufgegangen” wird trotzdem gesungen – denn wir feiern einen Abendgottesdienst; um 18h geht es los!
Alles Gute für Sie und herzliche Grüße!
Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tobias Heymann
Unsere nächsten Gottesdienste – wir freuen uns auf Sie!
So, 17.03. 18h Gronau
“Glaube – eine Zumutung” Abendgottesdienst
So, 24.03. 10h Niederdorfelden
„Mensch – da bist du“ Gottesdienst am Palmsonntag mit Konfis