Liebe Leserinnen und Leser,

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, so formulierte es die erste Ökumenische Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen im Jahr 1948. Der zweite Weltkrieg, mit der deutschen Vernichtungsmaschinerie, mit ungezählten zivilen Opfern, mit dem geplanten Massenmord an Jüdinnen und Juden war gerade drei Jahre vergangen. Ruinen in Europa und der Welt. Krieg, so wollten es die Kirchen, sollte endlich das sein, was es ist: Mord, Vernichtung und vor allem absolut unvereinbar mit dem (christlichen) Glauben, unvereinbar mit der Vorstellung von, mit dem Glauben an Gott. Krieg vernichtet Leben, Krieg tötet Menschen, lässt Menschen zu Mörder*innen werden, zerstört das, was uns ausmacht: Alltag, Ausgelassenheit, Freiheit, Sicherheit, Wohlstand. Krieg, das ist und bleibt eigentlich unvereinbar mit der Sehnsucht nach Frieden, die in den tiefsten Überzeugungen, in der DNA des Christentums, des Judentums und des Islam und vieler anderen Religionen verwurzelt ist.

Verbrannt wird jeder Stiefel,

mit dem die Soldaten dröhnend marschierten.

Ins Feuer geworfen wird jeder Mantel,

der im Krieg mit Blut getränkt wurde.

Denn uns wurde ein Kind geboren.

Jesaja 9,4-5a

Von dieser Bibelstelle, von diesem Versen aus der Prophetie Jesajas im ersten Testament kennen wir oft nur den letzten Satz – und schon erfüllen uns weihnachtliche Gefühle – aber zuvor stehen martialische Worte, Worte, die aber vom Frieden träumen: Denn Stiefel in der Welt Jesajas waren Soldatenkleidung, waren Waffen um auf Wertlose niederzutreten. Mäntel, Rüstungen waren vom Morden mit Blut überseht. All das wird ins Feuer geworfen, verbrannt, vernichtet, gewandelt. Da lodert sie auf, die Sehnsucht nach Frieden und Grund dieser Sehnsucht ist Gott. Gott, der, in unserer christlichen Deutung dann dieses Kind ist, was in die Welt kommt. Aber soweit sind wir noch nicht, es ist November, es ist Volkstrauertag.

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein – so formulierte die Vollversammlung – biblisch fundiert. Nur wenig zuvor und eigentlich immer wieder: Pfarrer segneten Waffen. Die Zeichen von den Vernichtungstrupps der Nazis enthielten einen Gottesbezug und bis heute suchen kriegführende Präsidenten die Nähe zu religiösen Führern, lassen sich von Patriarchen legitimieren und der Angriff auf Unschuldige, auf andere Menschen, das Morden wird religiös überhöht. Religionen sind anfällig dafür, immer wieder. Dabei, so hat es die Geschichte gezeigt, so zeigt es sich bis heute, wenn Putin mit dem Patriarchen das Morden in der Ukraine rechtfertigt, so zeigt es sich bei den Evangelikalen und vielen weissen Christ*innen in den USA, die Trump zum Präsidenten gewählt haben und der millionenfach Menschen deportieren lassen will (und in Deutschland gibt es auch Stimmen die von Deportationen fabulieren – Deportationen von Menschen, ein Verbrechen und Verlust der Menschlichkeit).

Religionen sind anfällig – und zwar dann, wenn sie sich selbst, ihren Glauben, ihre Hoffnungen, ihre Sicht auf die Welt als einzige Wahrheit sehen. Dann werden die anderen Menschen, andere Überzeugungen weniger wert – der Prozess der Gewalt beginnt. Dabei ist es Gott, Gott, die ihr, die sein Antliz in jeden Menschen gelegt hat – darum kann Krieg nicht Gottes Wille sein, darum kann Gewalt gegen Andere kein Weg sein, denn Gott träumt von Frieden, von Großzügigkeit und Freiheit – davon, dass Stiefel und blutige Mäntel verbrennen und Alltag sein kann – mit Zeit zum Lieben, zum Weinen, zum Feiern, zum Klagen und zum Erinnern. Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.

So erinnern wir dieser Tage ganz besonders. Vielleicht tun Sie es beim Stöbern in Ihrer Familiengeschichte, vielleicht beim achtsamen Blick auf die Nachrichten, vielleicht auch bei den Gedenkveranstaltungen in Gronau und Niederdorfelden.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben und unserer Welt Frieden.

Herzlich

Ihre
Pfarrer*innen
Maraike Heymann
Tovja Heymann