Liebe Leserinnen und Leser,

„Bei mir bistu shein/Bei mir bist du schön.“ Titel, Vers, Programmsatz aus einem wunderbaren jiddischen Swingklassiker. Bei mir bist du schön – ein Satz, der von Liebe erzählt, vom Blick der anderen, die mich, die dich ansieht und entgegen den Idealen der Welt, entgegen den Urteilen vieler verzehrender Spiegel und Selfiekameras erkennt, was in dir liegt, in mir liegt, seit Anbeginn der Schöpfung: Schönheit. Es könnte so ein banaler Gedanke sein, banal in sofern, als dass es ja oft auch abfällig heisst: Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters. Das ist ohne Zweifel richtig und es ist eben nicht überraschend, dass dieser Swingklassiker jiddisch im Ursprung ist, seine Wurzeln im jüdischen Denken hat: Denn das Auge des Betrachters, der Betrachterin, dass ist in letzter Konsequenz Gott selbst. Hat Gott nicht die Menschen geschaffen, in unbändiger Vielfalt? Hat Gott nicht in jedem Menschen geschaffen, angeschaut und anerkannt? Zu seinem Bilde sogar, und letztlich entschieden: Es war gut. Dieser Satz ist Leitsatz der ersten und wunderschönen Poesie der Thora und auch der Bibel: Leitsatz des ersten sogenannten Schöpfungsberichtes im 1. Buch Mose. Der Mensch, das Ebenbild Gottes zwischen den Polen männlich und weiblich, der ist gut – also wunderschön. Bei mir bist shein – bei mir bist du schön.

Es ist die Wiege davon, wie jüdischer und christlicher Glaube vom Menschen denkt, denken sollte: Ein jeder, eine jede ist in Gottes Angesicht eben Gottes Ebenbild, wunderschön.

Es gibt Momente, da können wir das spüren – bei jedem*bei jeder sind diese anders und das ist auch gut so. Es gibt die einen, die sich fallen lassen in den Blick ihrer Freundinnen. Andere werden von den Partnern fürs Leben als schön erkannt und lassen sich so erkennen. Andere brauchen dafür Momente der Zweisamkeit, Momente der Nähe mit den besten Freunden, mit denen man alles teilt. Andere brauchen dafür Ruhe – und manche auch die Ekstase, den Tanz, die Freiheit. Bei mir bist du schön – jetzt in diesem Augenblick erkenne ich in dir so viel von dem, was in dir steckt, einen Funken von Gottes Antlitz in dir.

Paulus, ein gelehrter jüdischer Denker und später christlicher Missionar, der kannte diese Gedankenwelt. Er hat sie weitergedacht, wie es sein wird, wenn wir in Gottes Augen erkannt werden – in voller Schönheit oder in voller Liebe. Dann, so hat Paulus gedichtet, dann werden wir nicht mehr in den brüchigverschobenen, unklaren, blinden Spiegel schauen, sondern in einen klaren – und wir werden erkannt werden, wie wir vor Gott erkannt sind (1. Korintherbrief 13).

An diesem Wochenende machen wir uns mit zwei wunderbaren Gottesdiensten in Niederdorfelden auf die Spur davon, wie es sein kann – erkannt zu sein, wie es sein kann zu genießen – vielleicht schauen Sie ja vorbei: Um 10h zum Kerbgottesdienst in der Kirche Niederdorfelden, ab 9.30h gibt es dort auch ein Frühstück. Und um 18h im Weinladen Geschmackvoll, zu „Wein und Wort“, einen Gottesdienst zum Genuss.

Aber auch, wenn wir uns nicht sehen, wir wünschen Ihnen, dass Sie erkannt sind – so schön mit allem, was und wie Sie sind.

Herzliche Grüße
Ihre
Pfarrer*innen
Maraike Heymann
Tovja Heymann