Liebe Leserinnen und Leser,
Ich habe mich selbst ertappt. Ich habe den Mund aufgemacht und raus kam, was ich meinen Kindern nie sagen wollte. Es gab eine Scheibe Wurst geschenkt an der Fleischtheke. Erst hatte die Verkäuferin sie nur mit einem fragenden Blick angehoben, wollte mein Einverständnis. Als ich nickte, fragte sie die Kinder. “Mögt ihr eine Scheibe?” Was für eine Frage, natürlich langten sie zu. Und ich sagte halblaut (so dass mich bestimmt auch noch die Verkäuferin gehört hat) zu ihnen: „Was sagt man?“
Früher was das bei uns nämlich so: Unsere Nachbarin wusste, dass meine Geschwister und ich diese Bonbons aus Karamell, die immer so zwischen den Zähnen kleben, liebten. Wenn wir im Garten waren und sie uns sah, kam es immer wieder vor, dass sie sagte: “Wartet kurz, ich hab noch was für euch.” Zuhause gabs die nicht – insofern war die Freude groß. Erst wenn wir mit verzuckerten Zähnen zuhause waren, erhielt die Freude einen Riss. Nicht, weil unsere Mutter die Augenbrauen hochzog, weil wir schon wieder so viel naschten, da hatten wir ein dickes Fell, sondern weil sie sagte: „Habt ihr denn wenigstens Danke gesagt?“ Und ich wusste, dass ich das wieder mal vergessen hatte.
Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie gelernt ordentlich Danke zu sagen? Oder ist das nur routinierter Smalltalk? Fällt es Ihnen leicht, dankbar zu sein, oder müssen Sie sich diese Haltung in Erinnerung rufen? Keine Frage, wer gelernt hat, Danke zu sagen, hat was davon. Gilt als freundlicher, umgänglicher Mensch. Zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der anderen. Und vielleicht wächst auch aus dem zur Routine gewordenen Dankeschön tatsächlich echte Dankbarkeit. Und dankbaren Menschen – das kann man in psychologischen Studien nachlesen – fällt es leichter mit Rückschlägen, sogar mit Schicksalsschlägen umzugehen.
Aber ob es uns wirklich gelingt, dankbar zu sein, das liegt nicht immer in unserer Hand. Es verhält sich damit ein bisschen wie mit der Aufforderung: “Jetzt sei doch mal glücklich!” oder “Jetzt ärger dich doch nicht so!” Danke sagen geht durchaus ohne dankbar zu sein. Und Dankbarkeit gibt es auch ohne das ausgesprochene “Dankeschön”.
Wie wäre es, wenn es nur das Eine gäbe: Nur gelerntes Danke-Sagen, ohne Dankbarkeit, die im Inneren da ist und hinaus möchte? Das Bild von gut programmierten Robotern drängt sich auf, und die Vorstellung, dass hinter dem Mund, der Danke sagt, keine Seele steckt, die Danke empfindet, ist fad.
Wie wäre es, wenn es nur das Andere gäbe? Nur aus der Tiefe sprudelnde Dankbarkeit, sonst nichts? Dann wären wir um die Möglichkeit gebracht Danke zu sagen, um jemandem eine Freude zu machen. Oder Danke zu sagen, um einem Kind zu zeigen, schau mal, es gibt ein Wort für dieses großes gute Gefühl in dir drin. Oder Danke zu sagen, weil es manchmal gut tut, diese kleinen Gespräche zu führen, die eigentlich nur versichern: Du und ich: Wir gehören in diese Welt und teilen grad einen Funken Gegenwart miteinander.
Wir brauchen wohl beides.
Später habe ich mir ein Herz gefasst und der Nachbarin dann erzählt, wie wir ihre Bonbons liebten und wie ich mich über mich selbst ärgerte, weil ich immer wieder das Danke-Sagen vergaß. Sie lächelte. Sie erinnerte sich gut an uns Kindern. Und sagte: „Weißt du, das habe ich gar nicht gemerkt. Und selbst wenn, ich hätte trotzdem bei jedem Einkauf überlegt, ob ich noch die guten Bonbons für euch zuhause habe. Ich habe euch nämlich so gerne jubeln gehört.“
Wir denken, so ist es auch mit Gott. Er freut sich über das erlernte Danke – aber vielleicht noch ein bisschen mehr, wenn das Danke aus uns herausplatzt.
Herzliche Grüße (und Danke, dass Sie sich die Zeit zum Lesen genommen haben!),
Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann & Tobias Heymann
Unsere nächsten Gottesdienste: Wir freuen uns auf Sie!
So, 29.9.2024 11h Gronau
Familiengottesdienst zu Erntedank “Die Knolle im Acker und vom Wunder zu teilen”
Im Anschluss: Herzliche Einladung zum Kartoffelfest von GymGronau auf der Kirchstraße
So, 06.9.2024 11h Niederdorfelden
Familiengottesdienst und Trubelkirche zum Erntedankfest