Liebe Leserinnen und Leser,

Ich bin sehr genervt von Jesus seit Anfang dieser Woche – und zwar nicht, weil ich mit meinem Glauben hadere sondern weil mich Jesu Attitüde manchmal ziemlich nervt. Ok, natürlich weiß ich, dass Jesu Attitüde, die ich wahrnehme 2000 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung mehr über mich oder den*die jeweilige*n Autor*in des Evangeliums verrät – Jesus selbst persönlich haben wir alle nicht erlebt. Aber ich bin von der Attitüde genervt, die Jesus im Matthäusevangelium an den Tag legt:

25 Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? (Mt 6,25f)

Geniale Attitüde denke ich mir da bitter sarkastisch – mit den Windeln in der Hand, dem Abwasch im Rücken, dem unvollständigen Einkauf im Flur und den hungrigen Kindern auf dem Schoß. Super – also, einfach mal milde lächeln, nichts tun – Gott wird’s schon richten und diese ganzen Haushaltssorgen, sind ja alle nicht so wichtig. Typisch Mann könnte man sagen. Und dann, dann soll ich mich auch gar nicht um mein Leben sorgen, um die Zukunft – aber, spätestens seit Faschist*innen in unseren Parlamenten sitzen, davon reden, dass „nicht alle Nazis waren“ und tatsächlich Deportationsfantasien auf Wahlplakate drucken mit hübsch-hasserfüllten neuen Wörtern. Und ihre Geschwister im Geiste und Hass – die Islamisten machen eifrig mit und freuen sich über jede Rechtspopulistische Rede, die sie nur stärkt. Ich soll mir keine Sorgen machen? Und von vielen hab ich noch gar nicht angefangen. Nein, rufe ich Jesus innerlich im Gebet entgegen: Ich mache mir Sorgen – und zwar richtige Sorgen, Sorgen die schon angstvoll sind. Und der Jesus des Matthäusevangeliums versucht mich gerade mit gelindem „wir schon alles nicht so schlimm“ zu trösten?

Eine Antwort die mich aus diesem Tal herausträgt fällt mir schwer – ich versuche es zu wenden, ich versuche das Gute zu sehen. Natürlich ist so grenzenloses Gottvertrauen bewundernswert. Natürlich ist der Gedanke, sich einfach aus den Sorgen dieser Welt herauszuhalten, sehr verlockend. Aber es ändert nichts an der Welt – die Haushaltssorgen bleiben, der Weltschmerz bleibt. Vielleicht etwas beruhigt, vielleicht auch nur ein Opiat. Lustlos blättere ich durch die Bibel und lese die Rede, die Jesus hält, nochmal von vorne – und die beginnt mit einem ganz anderen Ton: „Selig sind die Armen, selig sind die Trauernden, selig sind die nach Gerechtigkeit hungern und dursten. Selig sind die, die für den Frieden arbeiten.“

Was heisst das dann fürs Sorgen, was heisst dass dann für meine Angst? Das frag ich mich – vielleicht finde ich eine Antwort bis Sonntag. Kommen Sie gerne in Niederdorfelden vorbei im Gottesdienst. Vielleicht finden Sie aber auch eine eigene Antwort – oder Sie genießen einfach einen sorgenfreien Sonntag bei Spätsommerwetter. Egal wie, wir denken an Sie!

Herzliche Grüße
Ihre
Pfarrer*innen
Maraike Heymann
Tobias Heymann