Liebe Leserinnen und Leser,

bei vielen Dingen im täglichen Leben gilt: “Und ich weiß nicht wie”. Deshalb brauche ich Expertinnen und Experten, wenn es Probleme mit dem Auto oder dem Computer gibt. Deshalb freue ich mich wie ein Kind, wenn der Avocadokern, der seit zwei Wochen im Wasser steht, das ich auch ständig vergesse zu wechseln, plötzlich Wurzeln bildet und später Blätter. Und deshalb bringt mich auch die harmlose Kinderfrage, die zu allen möglichen Situationen gestellt wird, manchmal an meine Grenzen: “Warum ist das so?”

“Und ich weiß nicht wie…” In den Gleichnissen Jesu stehen Menschen vor alltäglichen Phänomenen ihrer Lebenswelt, kratzen sich am Kopf und staunen – aber wissen beim besten Willen nicht, wie es zugegangen ist, dass etwas geschehen ist, etwas gefunden wurde, etwas gewachsen ist. Hier wird selten Außergewöhnliches erzählt – Aspekte des Alltags sind es, auf die ein schräger Blick von vorn fällt, und die dann plötzlich erstaunlich wirken, und manchmal sogar etwas anderes erhellen.

“Die Gleichnisse Jesu zeigen, Jesus war ein oberflächlicher Mensch” sagt Harald Schroeter-Wittke, Professor für Praktische Theologie in Paderborn. Und meint das durchaus anerkennend! Denn an den Oberflächen geschieht etwas, hier entsteht Kontakt, hier gibt es etwas zu sehen und zu entdecken. Trotzdem werden Oberflächen viel zu oft ignoriert, weil man zur vermeintlich gehaltvollen Tiefe vordringen will. Die Gleichnisse Jesu sind nicht einfach ein guter Einstieg, der die Menschen fesselt und sie dazu bringt, sich den Rest der Predigt auch noch anzuhören. Die Gleichnisse Jesu sind keine Logikrätsel, deren Auflösung dann den inneren Kern des Glaubens freilegt. Jesu Gleichnisse malen vielmehr Bilder von Gott, vom Vertrauen, vom Miteinander. Bilder, in die man hineingehen kann, wenn man mag. Die man sich schräg von unten angucken kann. Die man auch ein paar Jahre in die Ecke stellen kann, bis sie einen später ansprechen.

“Und ich weiß nicht wie” – das spricht uns heute an. Wir wissen nicht immer, woher gute und kraftvolle Gedanken kommen, die den Tag erhellen. Wie wissen nicht, wie das Erfolgsrezept lautet, damit mein Glaube sich auch morgen noch mutig anfühlt. Wir wissen nicht, ob es wirklich sinnvoll ist gegen die Zweifel anzuarbeiten – wir ahnen nur, dass es besser ist, sich von ihnen tragen zu lassen auf unserer Suche, die dieses Leben durchzieht.

“Und ich weiß nicht wie…” Mancher, der das feststellt, staunt und ist begeistert – oder auch dankbar. Manch andere, die das feststellt, wird neugierig und will den Dingen auf den Grund gehen. Beides hat sein Recht. Beides zeigt, wie sehr wir mit der Welt, die uns umgibt, verbunden sind. So verbunden, dass Alltägliches als Gleichnis für Gottes Reich taugt. So verbunden, dass die Oberfläche der Welt, die uns Tag für Tag vor Augen steht, Interesse weckt und Fantasie entzündet.

Auf Ihren Wegen durch den Alltag wünschen wir Ihnen eine gute Verbindung zu dem, was Sie sichtbar und unsichtbar umgibt. Und wenn Sie das nächste Mal eine Expertin oder einen Experten brauchen, denken Sie gerne daran: “Ich weiß nicht wie…” heißt nicht bloß: “Kann ich nicht, will ich nicht, mach ich nicht”, sondern: “Erstaunlich, was es alles gibt.”

Bleiben Sie behütet!

Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tobias Heymann

Unsere nächsten Gottesdienste – wir freuen uns auf Sie!

So 04.02. 10h Niederdorfelden
“und er weiß nicht wie”
mit Kirchenkaffee!

So, 11.02 10h Gronau
Estomihi (mit Prädikantin Romy Nickel)