Lieber Leserinnen und Leser,

ich mochte den 2. Advent noch nie so richtig. Seltsam, was ist denn am 2. Advent so anders als an den anderen? Naja, die 2 natürlich. Zwei brennende Kerzen auf dem Adventskranz sahen für mich immer unvollständig aus: Die Freude vom ersten Licht am Kranz bekam für mich am 2. Advent immer so eine Ernüchterung: Das dauert ja schon noch eine ganze Weile. Außerdem muss man sich immer entscheiden, ob die Kerze direkt neben der ersten Kerze angezündet wird oder die gegenüber – für die Mathefreund*innen unter Ihnen: Es gibt drei Möglichkeiten. So ein Stress. Und dann wird man gewahr: Es dauert noch bis Weihnachten, ein Weg ist noch zu gehen. Der zweite Advent hängt irgendwie immer ein bisschen dazwischen auf dem Weg zum großen Weihnachtswunder. Schaue ich aber auf die Geschenke, die noch nicht besorgt sind und die Weihnachtsfeiern die noch zu feiern sind – dann ist das vielleicht auch ganz gut und ich mache es mir mit Lebkuchen auf dem Sofa bequem und schaue den 2 Kerzen zu, die langsam brennen. Und dann lese ich in den Texten, in den Erzählungen und Bildwelten, die der 2. Advent in der Tradition bereithält: Und wie ich genüsslich meinen Lebkuchen zerkaue und den heissen Kaffee schlürfe, da lese ich davon, dass Himmel und Erde vergehen werden, dass Zeichen geschehen werden am Himmel, das Meer brausen wird, dass alle Menschen zittern und zagen (Lk 21), dass Engel auftreten werden und es die falschen sein werden (Off 3), dass jede Blume, jeder Baum, jedes Grün jubeln wird (Jes 35 und Hdl 2 – all diese Stellen stammen aus den Bibeltexten für den 2. Advent – wenn Sie mehr dazu wissen wollen schauen Sie mal auf kirchenjahr-evangelisch.de vorbei). Mich gruselt dieses Welt-Endenszenario mitten im Advent. Sowas, da hab ich es mir gerade gemütlich gemacht, besinnlich, mich entschieden welche Kerze brennen soll am Adventskranz, hab mich in gesunder Selbstsorge entschieden, die bitteren Nachrichten von Trump, Putin, AFD, Klima und Hamas mal fern von mir sein zu lassen, und dann haut mir die Bibel wieder Fantasien vom Weltuntergang, von den letzten Tagen, letzten Stunden um die Ohren. Mein Herz klopft gleich schneller – ein bisschen so, wie Weihnachten vor der Bescherung – nur, dass es diesmal diese Unruhe ist, dass es wieder nichts wird mit der süßen Besinnlichkeit, mit der ruhigen Andacht, mit dem schönen Weihnachtszauber. Wieder diese Bilder vom Weltuntergang, wieder diese Erzählung vom Nahen Ende. Können wir das nicht bis Silvester oder noch besser bis zum Sanktnimmerleinstag vertagen? Am Adventskranz brennen ja auch erstmal nur zwei Kerzen und schön grün ist er auch. Grün, so wie die Pflanzen, die wachsen sollen, so wie die Ranken, die vom Leben künden, auch wenn auf unseren Feldern lehmiger Matsch unter den Reifen spritzt. Grünen soll die Welt – von neuem – auch davon singt das Weltende in der Bibel. Es dauert noch, vielleicht brennen deshalb nur zwei Kerzen, es dauert noch bis Weihnachten und das Ende, was beschworen wird, ist vielleicht auch nur ein Hoffnungsstreich? Wenn das, was gerade im Argen liegt: Wenn die Boote im Mittelmeer nicht mehr sinken müssen, wenn Frauen keine Angst mehr haben müssen, wenn Wälder nicht mehr vor unseren Augen sterben, wenn Familien sich nicht mehr zerstreiten, wenn quälende Krankheit ein Ende findet – dann ist das ja eigentlich ein Anfang zu Leben, ein Traum vom Neuen, so wie das Weihnachtswunder. Es dauert noch, aber es kommt. Immerhin schon zwei Kerzen. Wir wünschen Ihnen einen wunderbar gesegneten 2. Advent

Herzliche Grüße
Ihre
Pfarrer*innen
Maraike Heymann und Tobias Heymann

Bildquellen

  • Homepageslide 2. Advent: Heymann