Liebe Leserinnen und Leser,
der Geist Gottes ist eine ganz schön praktische Sache – kein Mensch sieht ihn, kein Mensch kann ihn in Gläser einwecken und doch kann jeder und jede damit argumentieren: Ich hab den Geist, ich kann sagen, was wahr ist im Glauben, was stimmt, der Geist ruht auf mir. Und ich kann mir sicher sein: „Die Welt ist in sieben Tagen erschaffen und die Kirche soll sich vom Zeitgeist fernhalten und nur an den Heiligen Geist halten, so wie ich.“
Passt das denn zu einer Theologie der Vielfalt und Freiheit, oder fällt die gleich in sich zusammen? Nicht etwa weil andere Menschen andere Meinungen, Geschichten, Werte haben als ich das habe – das ist schöne Würze im Leben, die ich niemals missen möchte. Ungemütlich wird’s und mein Gedankengebilde wird wacklig, wenn der Heilige Geist, die Kraft Gottes, die ich doch als eine Weite erfahre, die sanft wie ein Hauch durch die Welt zu wehen scheint, plötzlich Härte zeigt: „In der Bibel steht dies und das, was der Zeitgeist da macht, das ist doch alles nicht Gottes Wille, das muss verboten werden, das wird Gott vernichten, ich weiß, auf mir ruht der heilige Geist, ich hab recht.“ Und schon wird aus der Kraft Gottes, die, so denke ich, doch Freiheit will, eine Peitsche enger Gedankenriegel. Und ich frag mich: Ist das so eine kluge Idee mit dem heiligen Geist?
Ich weiß es nicht. Ich könnte jetzt meine Vision vom Heiligen Geist dagegen setzen, meinen Traum von ‚Offen für Vielfalt‘, davon, wie Menschen von einer klimagerechten Welt träumen dürfen, wie keine Leichen mehr aus Fischernetzen gezogen werden, weil die Festung Europa endlich eingerissen ist, wie Gerechtigkeit herrscht zwischen den Menschen und Freiheit der Geschlechter. Ich kann dies nun genauso mit dem Heiligen Geist begründen, noch mit Bibelstellen spicken und dagegen stellen. Dann steht Wort gegen Wort und Geist gegen Geist und wir sind trotz Pfingsten nicht klüger als zuvor.
Was ist denn nun der heilige Geist? Sicher weiß ich es nicht, ich kann nur ahnen, hoffen, glauben und mir niemals sicher sein, vielleicht irre ich ja auch gewaltig. Vielleicht ist der Heilige Geist gar keine Argumentationshilfe, sondern einfach Trost? Warum? Weil ich hoffe, dass diese Kraft immer in die Zukunft träumt, immer neu von Gottes Schöpfung singt, seit dem Tag, als der Regenbogen über Noahs Arche stand und Gott von Versöhnung träumte.
Also, lassen Sie sich trösten, vom Frühlingswind, von Umarmungen, von offenen Ohren!
Herzliche Grüße!
Ihre Pfarrer*innen
Maraike Heymann und Tobias Heymann