Hanau. Die Ausstellung KÖRPERWELTEN zieht derzeit viele Menschen in der Brüder-Grimm-Stadt an. Gleichzeitig sorgt sie aber auch für intensive Diskussionen. Zwischen neugieriger Faszination und deutlicher Ablehnung gibt es eine Vielzahl an Meinungen und Perspektiven zu diesem Thema. Bei einer Podiumsdiskussion im Stadthof Hanau am Totensonntag wurden die verschiedenen Blickwinkel beleuchtet und lebhaft diskutiert.
„Wir haben wahrgenommen, dass die Ausstellung viele Menschen bewegt“, stellt Donja Banai, die Leiterin des Evangelischen Forums Hanau+ fest. Um die unterschiedlichen Stimmen aus der Stadtgesellschaft aufzugreifen, hatte das Evangelische Forum Hanau+ unter Mitwirkung von Pfarrer Prof. Dr. Lukas Ohly, Pfarrer Prof. Dr. Werner Kahl und in Kooperation mit den KÖRPERWELTEN zur Podiumsdiskussion eingeladen. „Wir wollen miteinander reden, nicht übereinander“, betont Kahl.
Auf dem Podium sprachen Prof. Dr. Franz-Josef Wetz (Philosoph, Ethiker und wissenschaftlicher Begleiter der KÖRPERWELTEN), Dr. Ibrahim Talha Aslandur (Islamwissenschaftler, Pädagogische Hochschule Karlsruhe), Hüsameddin Yildirim (Oberarzt der Onkologie, Klinikum Hanau) und Lukas Ohly (Dozent der Theologischen Ethik und Religionsphilosophie, Goethe-Universität Frankfurt und Gemeindepfarrer in Nidderau-Ostheim). Moderiert wurde die Veranstaltung von der Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Hanau-Main-Kinzig, Pfarrerin Ute Engel.
Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Spannungsfelder, die plastinierte Körper unweigerlich auslösen. Ein zentrales Thema war die Frage nach der Würde: Welche Bedeutung kommt dem letzten Willen der Körperspenderinnen und -spender zu und wie verhalten sich religiöse Traditionen, wissenschaftliche Erkenntnisse und individuelle Sichtweisen zueinander?
Man solle nicht unter allen Umständen auf den Willen eines Menschen setzen, sagte Ohly. Er ergänzte dies mit dem Beispiel, dass wir die Selbstbestimmung wahrscheinlich infrage stellen würden, wenn es sich in der Ausstellung um lebende Exponate handeln würde. Wetz hingegen nannte die Ausstellung ein „Fest des Lebens“, das weniger den Tod in den Vordergrund stellen wolle. Das Echte löse außerdem eine besondere Faszination aus. Aslandur entgegnete, dass der natürliche Prozess der Verwesung durch die Plastination aufgehalten werde, und das sei, vor allem aus islamischer Sicht, nicht Sinn des Sterbens. Yildirim wies darauf hin, dass auch innerhalb der Medizin eine gewisse Spannung zwischen wissenschaftlichem Interesse und dem respektvollen Umgang mit dem menschlichen Körper bestehe. Er hob hervor, dass es bereits in der Antike erste Ansätze zur Konservierung von Körpern gab, auf denen die Idee der modernen Plastination gedanklich aufbaut. Tatsächlich wurde mehrfach nach alternativen Darstellungsmethoden gefragt, wie etwa die Herstellung von Exponaten aus einem 3D-Drucker. Was nach einer guten Alternative klingt, erfülle jedoch nicht den Zweck einer authentischen und echten Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper, so Wetz.
Das Publikum beteiligte sich engagiert an der Diskussion: mit eigenen Eindrücken und kritischen Rückmeldungen, wie z.B. zur Präsenz der Ausstellung im Stadtbild. „Es war ein spannender Austausch, der deutlich gemacht hat, dass die Ausstellung KÖRPERWELTEN ganz unterschiedliche Reaktionen hervorruft“, so Banai. „Das zeigt, wie wichtig ein offener und vielstimmiger Austausch über ethische und gesellschaftliche Fragen rund um den menschlichen Körper ist“, fasst die Leiterin des Evangelischen Forums Hanau+ zusammen und bedankt sich bei allen, die zu dieser lebhaften Diskussion beigetragen haben.