Hanau. „Vielfalt wirkt“: Unter diesem Motto hatte das Diakonische Werk Hanau – Main-Kinzig gemeinsam mit dem Evangelischen Forum Hanau+ am vergangenen Mittwoch zu einer Podiumsdiskussion über die Integration von geflüchteten Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt eingeladen. Eine spannende Veranstaltung mit vielen Hintergrundinformationen und anschaulichen Eindrücken aus der Lebenswirklichkeit der Betroffenen, die deutlich machte: Es gibt noch Handlungsbedarf.

Bevor es in die eigentliche Podiumsdiskussion ging, sorgte Laura Goßner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zunächst für einen sachlichen Überblick zum Thema, den sie mit Daten aus einer Langzeitstudie, der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, unterlegte. Aus dieser geht hervor, dass neun Jahre nach Zuzug 76 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen erwerbstätig sind. Die Beschäftigungsquote der Männer liege dabei sogar leicht über dem männlichen Bevölkerungsdurchschnitt von 72 Prozent. Was hingegen unter dem Durchschnitt liege, seien die Löhne. Auch würden viele unterhalb ihres eigentlichen Tätigkeitniveaus arbeiten. Ein großer Prozentsatz ist in den systemrelevanten Berufen tätig. „Der Verlauf der Arbeitsmarktintegration ist besser, als es der öffentliche Diskurs teilweise vermittelt“, fasst Gößner zusammen. Trotzdem gebe es Handlungsbedarf um das große Potential, das die geflüchteten Menschen mitbringen, für den Arbeitsmarkt zu nutzen. Hier zählt die Expertin u.a. Sprachkurse, den Ausbau der Kinderbetreuung und Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung auf. Ein besonders wichtiger Faktor sei aber auch das Verfahren für die Anerkennung von Abschlüssen zu vereinfachen. Wie elementar dies für die Betroffenen ist, wurde auch in der anschließenden Podiumsdiskussion schnell deutlich. An dieser nahmen, moderiert von Yvonne Backhaus-Arnold, Dr. Gunther Quidde, Hauptgeschäftsführer der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, Stefan Hotz von der Hotz Haustechnik GmbH, Ankisawi Misganu, Migrationsberater des Diakonischen Werkes Hanau- Main-Kinzig und Spoghmay Salimi, Frauenärztin aus Afghanistan, teil. „Deutschland ist ein sehr stark an Zeugnisse, Abschlüsse und formale Zugänge glaubendes Land“, stellt Dr. Gunther Quidde fest. Das Konzept der dualen Ausbildung sei jedoch vielen Menschen, die neu hierher kommen, nicht bekannt. Dieses müsse man erst bekannt machen. Wie es ablaufen könne, wenn man einem geflüchteten Menschen einen Ausbildungsplatz ermöglicht, konnte Stefan Hotz berichten. In seiner Firma hat ein junger Mann die Ausbildung zum Anlagenmechaniker angetreten. Und, trotz aller Hindernisse, erfolgreich absolviert. „Es hat uns alle fasziniert, mit welchem Engagement er da rein gegangen ist“, berichtet er. Eine große Hürde seien auch hier die Sprachkenntnisse gewesen. An vier von fünf Tagen die Woche habe er zusätzliche Nachhilfe genommen. Er hob außerdem das große Engagement ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer hervor, die bei zahlreichen Behördengängen unterstützt hätten. Insgesamt zwölf Institutionen hätte dieser kontaktieren müssen, bevor er die Ausbildung überhaupt habe beginnen dürfen. Wie komplex das deutsche Behördensystem sein kann, weiß auch Ankisawi Misganu. Er kam 2012 aus Äthiopien zum Studium nach Deutschland, arbeitet seit 2017 als Flüchtlingsberater und ist seit 2022 beim Diakonischen Werk Hanau-Main-Kinzig tätig. Rund 300 Menschen betreut er hier, steht ihnen bei allen möglichen Fragen zur Seite. Eine davon ist auch Spoghmay Salimi. Sie ist vor fünf Jahren aus ihrer Heimat in Afghanistan geflohen und wartet seitdem auf die Erlaubnis, hier arbeiten zu dürfen. Erst fehlte ein Betreuungsplatz für die Kinder, danach sorgten nötige Sprachqualifikationen und fehlende Unterlagen und für Verzögerungen. „Ob man diese Dokumente aber überhaupt bekommen kann, ist fraglich“, erklärt Misganu. Im Falle von Salimi sei es die auf der Flucht verloren gegangene Geburtsurkunde. „Wie lange soll es denn noch dauern?“, fragt sie mit spürbarer Verzweiflung. Für sie war es nicht einfach, in ihrem Herkunftsland zu studieren. Nur begleitet von Vater, Bruder und später Ehemann durfte sie überhaupt ihre Ausbildung zur Frauenärztin machen. Nun sei sie in Deutschland und dürfe nicht arbeiten, erlebt aber trotzdem, wie lang die Wartezeiten in den Krankenhäusern sind, wenn man hier auf eine Behandlung warten müsse. Die große Emotionalität mit der sie aus ihrem Leben berichtete, bewegte die Anwesenden sehr. Wie lange es noch dauern wird, bis ihr Abschluss anerkannt wird und sie die Erlaubnis erhält, in ihrem Beruf zu arbeiten, kann dennoch niemand voraus sagen.

„Es war eine bewegende und tiefgründige Diskussion“, findet Ute Engel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Hanau-Main-Kinzig. Sie habe gezeigt, wie wichtig Unterstützungsangebote wie das der Diakonie für geflüchtete Menschen seien, aber auch, wie Betriebe und Gesellschaft von der Integration der nach Deutschland kommenden Menschen profitieren könne. „Dafür möchten wir uns als Teil der Evangelischen Kirche auch weiter stark machen.“ Die Veranstaltung fand im Rahmen der interkulturellen Wochen des Main-Kinzig-Kreises statt. Für diese hat das Diakonische Werk Hanau- Main-Kinzig neben der Podiumsdiskussion noch zwei weitere Veranstaltungen geplant: Am Diakoniesonntag, den 21. September, stehen Vielfalt und die Arbeit des Diakonischen Werkes im Mittelpunkt des Gottesdienstes in der Marienkirche. Und am Dienstag, den 30. September, findet um 18:00 Uhr eine Lesung mit der Autorin und Bildungsreferentin Hami Nguyen im Weltladen Gelnhausen eine Lesung aus ihrem Buch „Das Ende der Unsichtbarkeit – Warum wir über antiasiatischen Rassismus sprechen müssen“ statt. Mehr Infos hierzu finden Sie im Internet unter www.diakonie-hanau.de.

Bildquellen

  • Podiumsdiskussion „Vielfalt wirkt“: Jutta Link