„Hanau und die Anschläge – was bleibt und wie geht es weiter?“: Unter dieser Frage fand am Montagabend eine Diskussionsrunde mit Etris Hashemi, Überlebender des Hanauer Anschlags, Kirsten Fehrs, Bischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri in der Hanauer Marienkirche statt. Eine Veranstaltung des Kirchenkreises Hanau, bei dem Erinnerung und Blick nach vorne aufeinander trafen.
„Eine lebendige, demokratische Stadtgesellschaft braucht das Gespräch“, stellte Dekan Dr. Martin Lückhoff bei der Begrüßung der Gäste fest. „Sie braucht Orte und Formate, die ermöglichen, dass Menschen einander zuhören, nachfragen und miteinander ins Gespräch kommen.“ Dazu wolle die Evangelische Kirche in Hanau mit dem Dialogforum einladen. Auch wenn der 19. Februar ein Hanauer Ereignis sei, weise er doch weit über die Stadt hinaus. Zu verstehen, was geschehen sei und welche Folgen dieses schreckliche Ereignis für die neun Familie, eine Stadt und die bundesrepublikanische Gesellschaft habe, fordere immer wieder neu heraus. „Der Umgang damit bleibt eine gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe.“
Wie wichtig es ist, sich an die Geschehnisse des 19. Februars 2020 zu erinnern, betonte auch Etris Hashemi. Sein Bruder Said Nesar Hashemi gehört zu den Opfern des Anschlags, er selbst überlebte schwer verletzt. „Erinnerung ist extrem wichtig, weil sie zugleich auch eine Mahnung für die Zukunft sein kann“, stellt er fest. Die schrecklichen Geschehnisse könne man nicht rückgängig machen. Aber es gehe darum, sie aufzuklären und daraus zu lernen. Dies könne helfen, vielen anderen Menschen ähnliches Leid, wie es die Opfer des Hanauer Anschlags erlebt haben, zu ersparen. Erinnerung, Aufklärung, Konsequenzen und Gerechtigkeit seien die Ziele gewesen, für die die Angehörigen der Opfer sich seitdem einsetzen. Nicht immer sei man dabei mit der Politik einer Meinung, wie er feststellt. Etwas, das dazu gehöre und in Ordnung sei. Für die nun getroffene Entscheidung zum Mahnmal sei er dennoch dankbar: „Am Ende des Tages geht es auch darum, nach vorne zu schauen“, stellt er fest. Doch dafür müsse man auch auf das zurückblicken, was passiert sei.
Wie unfassbar dieses Ereignis für viele Hanauer und Hanauerinnen gewesen sei, fasst Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri zusammen: Ein rassistischer Anschlag könne zwar passieren, aber in einer offenen, vielfältigen und multikulturellen Stadt wie Hanau sei die Wahrscheinlichkeit dafür kleiner als anderswo. „Das war damals das Grundgefühl.“ Die aufkommende Corona-Pandemie habe den Prozess des Zusammenfindens nach dem Anschlag jedoch erschwert. Auch wenn heute, fünf Jahre später, ein Großteil der Bürger nicht mehr täglich an das Attentat denke, gebe es dennoch eine große Mehrheit, die einen würdigen und guten Umgang mit diesem Ereignis wünscht. Hier habe man mit dem Haus der Demokratie und Vielfalt und der Gestaltung des Mahnmals etwas Gutes auf den Weg gebracht. Eine gute Erinnerungskultur sei dabei auch wichtig für Versöhnung und Verständigung, wie Bischöfin Fehrs ausführte. Sie könne dazu beitragen, dass das Geschehene nicht nur sinnlos gewesen sei sondern etwas, aus dem Kraft entstehen, die zur Veränderung führe. Dabei brauche es grundsätzlich aber auch eine größere Sensitivität für die Opfer ein größeres Bewusstsein für Rassismus. Die politische Instrumentalisierung von Anschlägen verurteilt sie klar. Menschen aus einem anderen Land zu helfen, hier eine neue Heimat zu finden, sei ein Grundwert der christlichen Religion.
Doch was könne man konkret tun, um solche Taten zukünftig zu verhindern? Auf die Frage von Moderator Dr. Siegfried Krückeberg gibt es leider keine einfache Antwort, wie auch Hashemi weiß. „Was wir aber machen können, ist, zu versuchen, dem vorzubeugen“, stellt er fest. Dabei hält er vor allem die Bildungsarbeit für ein wichtiges Instrument, um speziell die neuen Generationen zu erreichen. Es sei außerdem wichtig, Räume zu schaffen für Diskussion, Austausch und Erinnerung. Und es braucht eine klare gesellschaftliche Haltung, wie Bischöfin Fehrs betont: „Jede Form von Extremismus braucht unser Nein.“
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- Dialogforum: Jutta Link