Fragen an die Leiterin der ÖkumenischenTelefonSeelsorge Main-Kinzig, Pfarrerin Christine Kleppe

Können Sie jetzt in diesen Kriegs- und Krisenzeiten mehr Telefonate verzeichnen?
Die Anrufe bewegen insgesamt seit Corona konstant auf hohem Niveau. 10.628mal klingelte allein in unsrer Stelle 2022 das Telefon. Sobald ein Gespräch zu Ende ist, kommt schon der nächste Anruf. Oft müssen die Anrufenden es mehrmals versuchen, um durchzukommen.

Haben die Menschen momentan andere Sorgen und Themen als sonst?
Seit dem 9. Oktober gibt es als Thema für die Statistik der Seelsorgegespräche „aktuelle Kriegs-und Krisensituationen“. Tatsächlich ist das zurzeit immer wieder Anlass für Anrufe. Doch die meisten Themen sind wie sonst auch: Einsamkeit, depressive Verstimmung, familiäre Konflikte, Ängste, finanzielle Sorgen. Das Erleben einer „Dauerkrise“ in Gesellschaft und Welt verstärken Angst und Stress und belastet neben den persönlichen Nöten die Ratsuchenden zusätzlich.

Seit wann gibt es die Telefonseelsorge im Main-Kinzig-Kreis?
Die TelefonSeelsorge Main-Kinzig startete 1976 als ökumenisches Projekt in Hanau. Seit 2023 ist unsere Stelle eine unselbständige Einrichtung des Evangelischen Kirchenkreises Hanau. Das Kuratorium ist ökumenisch besetzt.

Wie viele Ehrenamtliche arbeiten in Ihrer Stelle mit?
Im Moment arbeiten in unserer Stelle 71 Ehrenamtliche. Bevor sie zum ersten Mal ans Telefon gehen, haben sie eine Ausbildung von 140 Stunden absolviert, zu der u.a. auch Hospitation am Telefon gehört. Supervision und regelmäßige Fortbildung gehören verbindlich für die Ehrenamtlichen zum Dienst.

Seit wann sind Sie selbst mit dabei?
Ich selbst bin seit November 2012 als Pfarrerin in der Leitung der Ökumenischen Telefonseelsorge tätig und außer der Verwaltungskraft die einzige Hauptamtliche. Die Arbeit der TelefonSeelsorge kannte ich allerdings schon vorher gut, da ich viele Jahre freiberuflich als Supervisorin für die Ehrenamtlichen tätig war.

Wer kann anrufen?
Anrufen kann jede und jeder. Anrufen können ältere Menschen, genauso wie junge Erwachsene oder Jugendliche. Es gibt kein Thema, das zu groß oder zu klein ist. Entscheidend ist, dass die Anrufenden mit Ihren Sorgen nicht allein bleiben.

Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wer ruft tatsächlich bei der Telefonseelsorge an?
Viele, die anrufen, leben allein und haben niemanden, dem sie sich anvertrauen können. Manche leben auch in einer Familie oder in einer Einrichtung, schämen sich vielleicht oder suchen einen Außenstehenden, mit dem sie sprechen können.

Bleiben die Ehrenamtlichen und auch die Anrufer*innen anonym?
„TelefonSeelsorge, guten Tag!“ so melden sich die Ehrenamtlichen am Telefon und bleiben so anonym. Auch die Anrufenden nennen in der Regel keinen Namen. Ihre Telefonnummer wird nicht angezeigt. Dass Telefonseelsorger und Anrufer sich zufälligerweise kennen, kommt faktisch nicht vor. In diesem Fall könnten beide das Gespräch beenden. Die Gespräche dauern im Durchschnitt 25 Minuten, manche eine Stunde, andere sind nach fünfzehn Minuten schon vorbei.

Wie kann den Anrufer*innen in ihrer Not geholfen werden?
Die Ehrenamtlichen am Telefon hören zu, fragen nach, versuchen zu verstehen, was den Anrufenden beschäftigt. Sie geben Raum zu erzählen und stellen sich als ein wertschätzendes Gegenüber zur Verfügung. Manchmal reicht das schon aus. Sie stärken die Stärken und unterstützen den Anrufenden, sich zu beruhigen, sich selbst zu klären und vielleicht eine erste Idee zu bekommen, wie der nächste Schritt ist. Manchmal verweisen die TelefonSeelsorger*innen auch auf eine Fachberatung oder ermutigen, einen Therapeuten aufzusuchen. Den Weg dahin muss der Anrufende selbst finden.

Wenn Gefahr in Verzug ist oder Suizidgefährdung erkennbar, wie kann reagiert werden?
Bei angekündigten schweren Straftaten sind die Ehren-amtlichen gehalten, über mich als Stellen-leitung den Kontakt mit der Polizei aufzunehmen. Wenn jemand entschlossen ist, Suizid zu begehen und das konkret geplant hat, wird die Person vermutlich nicht die TelefonSeelsorge anrufen. Wenn Anrufer suizidale Gedanken äußern, ist es wichtig, offen nachzufragen wie konkret dieser Gedanke ist und ihn zu ermutigen, sich professionelle Hilfe zu suchen. Doch letztlich können auch die Ehrenamtlichen einen Suizid nicht verhindern. Zum Glück kommen diese Situationen am Telefon nicht so oft vor.

Die TelefonSeelsorge können Sie entweder telefonisch über die kostenfreien Rufnummern:

0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222

rund um die Uhr für ein anonymes und vertrauliches Gespräch erreichen.

oder im Internet unter:

www.telefonseelsorge.de

https://www.telefonseelsorge-main-kinzig.de

(gebührenfrei, vertraulich, anonym: zu 100% verschlüsselt)