Christel Sippel, langjährige Leiterin der Kita Marienkirche und Kirchenvorsteherin, wird verabschiedet.

Anfang August deutet nichts darauf hin, dass sich praktisch alles im Leben von Christel Sippel von Grund auf verändern wird. Die Leiterin der Kindertagesstätte Marienkirche der evangelischen. Stadtkirchengemeinde Hanau hat in ihrem Büro Zeit für ein Gespräch. Meist klingeln zwei Telefone gleichzeitig durch die weit offen stehende Türe dringen gedämpft das Lachen, Rufen und Singen der Kinder in den Raum. Der wohlgeordnete Schreibtisch ist noch gut gefüllt. „Von meinem Büro aus habe ich den Überblick Ich sehe, wer klingelt, und ins Haus kommt und ich habe den Überblick über das Geschehen im Flur.“ Christel Sippel, sportliche Erscheinung mit Bluse, Jeans und Sneaker, behält die Übersicht und bleibt gelassen.

Am 31. August beginnt der Ruhestand
Der 31. August ist ihr letzter Arbeitstag, dann ist Dienstschluss nach über 40 Jahren als Erzieherin in dieser Einrichtung. Wie geht es ihr damit? „Ich habe mich entschlossen, alle Ämter hier in Hanau aufzugeben und wieder zurück in den Kreis Hersfeld zu ziehen, wo ich aufgewachsen bin.“ Leicht ist Christel Sippel dieser Schritt nicht gefallen, aber „halbe Sachen“ sind nicht ihr Fall. Sie wolle nicht auf dem Markt beim Einkaufen mit Eltern in ein Gespräch über die Kita verwickelt werden. Der Abstand sei wichtig und richtig.

Erzieherin ist der Traumberuf von Christel Sippel
Die Kita ist ihr Lebenswerk, das Wohl der Kinder liegt ihr am Herzen. Vor allem der Jungen und Mädchen, die sie herausfordern und an ihre Grenzen bringen. Hier lässt die Leiterin nichts unversucht. Man erlebt Christel Sippel als Leiterin und in ihren Ehrenämtern als ruhige, aber klar positionierte und entscheidungsfreudig, manchmal vielleicht resolut, manchmal enttäuscht von Ergebnissen, aber immer helfend und positiv nach vorne blickend. „Ich will Dinge bewegen, habe den Wunsch, etwas machen zu wollen.“ So hat sie nach ihrem Schulabschluss für sich entschieden, eine Ausbildung zur Kinderpflegerin zu beginnen: „Ich war selbst nie in einem Kindergarten, aber mit elf oder zwölf Jahren habe ich eine Kita besucht und von da an wusste ich: Ich will Erzieherin werden.“ Sippel begann 1971 ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin in Hünfeld. Aus dem Kreis Hersfeld kommend, nahm sie den langen Weg mit. „Einen Schulbesuch in einem anderen Kreis, das gab es einfach nicht. Die Zug- und Busverbindungen waren nicht besonders gut, so dass ich drei Jahre lang meine Hausaufgaben im Wartesaal der Hersfelder Kreisbahn erledigt habe“. Nach zwei Jahre Tätigkeit als Kinderpflegerin in Birstein, besuchte Sippel zwei Jahre das Fröbel-Seminar in Kassel. Während des Berufspraktikums an der Kreuzkirche freundete sie sich mit Hanau an und hielt den Kontakt zur Stadt am Main auch, als sie sich in der Rhön in Schwarzerde drei Jahre lang zur Gymnastiklehrerin weiterbildete. Als Schulsprecherin sammelte Christel Sippel ihre ersten Erfahrungen darin, sich gut zu positionieren, um Dinge zu bewegen.

Im Oktober 1982 beginnt Sippel ihre Arbeit im Hort der Marienkirche Hanau
Damals gab es für Erzieherinnen nur wenig offene Stellen und so griff die ausgebildete Kinderpflegerin und Pädagogin zu und begann am 15. Oktober 1982 ihren Dienst im Hort der Marienkirche. „Es war damals eine zweigruppige Einrichtung mit 42 Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahre – und es war unterirdisch. Der Hort hatte einen schlechten Ruf, aber das erfuhr ich erst später.“ Wer Christel Sippel kennt, der weiß, dass sie solche Zustände nicht lange hinnehmen würde. Sie suchte das Gespräch mit den Verantwortlichen in der Kirche und übernahm 1984/85 kommissarisch die Leitung der kirchlichen Einrichtung. Sippel begann, sich auch berufspolitisch zu engagieren und zu vernetzen, nahm zudem Kontakt zu Arbeitskreisen auf. „Ich arbeitete mit an der Frage, wie sich Kita-Arbeit künftig aufstellt und was Kinder für ihre Entwicklung brauchen.“ Mittlerweile hatte Sippel auch eine Kindergartengruppe in der sanierten Einrichtung aufgebaut und für das Haus gab es viele Nachfragen nach Plätzen. 1989 fasste die Landeskirche den Beschluss Krippenplätze zu schaffen. Die Kita der Marienkirche sollte eine Vorreiterrolle in der EKKW einnehmen. Sie war die erste Kita in der Landeskirche, die im landeskirchlichen Modellversuch Kinder unter drei Jahren aufnahm. In Hanau gab es bereits das Angebot der Familiengruppen über die Stadt Hanau, so dass in guter Kooperation mit dem damaligen Jugendamtsleiter Herwart Rose die Umsetzung gut gelang. „Diese Familiengruppen waren ein Alleinstellungsmerkmal in der evangelischen Kirche. Selbst aus Kassel kamen Gremien nach angereist, um sich darüber zu informieren“, erinnert sich Sippel.

Neubau und Modellkita in den 1990er-Jahren
Das Modell startete 1992/ 93, als die Kita mit nun 75 Kindern in vier Gruppen in einen nagelneuen Ersatzneubau in der Nussallee einziehen konnte. „Nur ein Hort war nicht zukunftsfähig und das Gebäude so marode und baufällig, dass nur Abriss und Neubau als Lösung blieben.“
Als Leiterin der Kita Marienkirche wurde Sippel bereits 1983 in den Kirchenvorstand berufen und später gewählt. Aktuell hat sie das Amt der Kirchenvorstands-vorsitzenden inne und arbeitet im Finanzausschuss mit. Sippel ist Mitglied der Kreissynode und wurde in den Kirchenkreisvorstand gewählt.
Als Kita-Leiterin und Kirchenvorsteherin der Stadtkirchengemeinde nahm Christel Sippel immer eine Verbindungsfunktion zwischen Stadt, Kirche und Eltern wahr. Sie tat dies ehrenamtlich (im Vorstand) in enger Zusammenarbeit beispielsweise mit Sprungbrett Familien- und Jugendhilfe e. V., Pilot und Jugendwerkstatt oder im Jungendhilfeausschuss der Stadt Hanau. Christel Sippel hat mit Ute Wachter, der Leiterin der Kita Hl. Geist, auch am Kita-Entwicklungsplan der Stadt Hanau mitgearbeitet.

Zurück zu den Wurzeln auf den Bauernhof der Familie
Keine Frage, die Kita Marienkirche ist das Herzensprojekt von Christel Sippel, das sie seit 1982 kontinuierlich gestaltet und weiterentwickelt hat. Sie verlässt ein wohlgeordnetes Haus. Und nun?
„Mir ist sehr bewusst geworden, dass ich eine große „Erdverbundenheit“ besitze. Sippel hat einen engen Kontakt zu ihrer Familie und wird zurück auf den kleinen Bauernhof der Familie gehen. „Im Frühjahr habe ich dort Blumen gepflanzt, um es mir schön zu machen. Da wusste ich, es war die richtige Entscheidung. Ich freue mich auf viele neue Aufgaben. Mit meiner Schwester zusammen will ich einen Hofladen aufbauen. Ich habe Zeit, Bücher zu lesen und freue mich auf das Kochen und Backen. Schließlich will ich mir eine Werkstatt einrichten und meine kreative Seite mehr ausleben.“ Als Expertin für Gesundheit und Bewegung kann sich Christel Sippel außerdem vorstellen, Unterrichtsstunden aufzubauen. Nein, Langeweile wird auch nach Dienstschluss nicht aufkommen bei Christel Sippel, die eine große Arbeitsethik ebenso auszeichnet wie ein tiefer Glaube, der sie überall dort wirken lässt, wo Gott sie hingestellt hat.

Am Sonntag, 17. September, wird Christel Sippel um 14.00 Uhr in der Marienkirche Hanau in einem Gottesdienst mit anschließendem Umtrunk von der Stadtkirchengemeinde verabschiedet.

Bildquellen

  • Christel_Sippel: Pongratz