Liebe Leserinnen und Leser,
mit Blick auf die nötige Vorbereitung zuhause finde ich Ostern viel entspannter als Weihnachten. Kein Baum, über dessen Herkunft ich grüble und der mir beim Aufstellen die Wohnzimmerlampe von der Decke fegt, – sondern ein paar Zweige aus dem Garten, die ohnehin kreuz und quer wucherten, nun aber statt Kompost eine Karriere als Osterstrauß machen. Keine nervenaufreibenden Überlegungen, wer uns eigentlich beschenkt und womöglich etwas erwartet oder wer sich durch ein liebgemeintes Geschenk unsererseits vielleicht vorgeführt fühlen könnte (und wenn das entschieden ist, ist ja noch nichts besorgt), – sondern ein paar bunte Eier und freundliche Hasen, die bei Bedarf mitgenommen werden. Und hinzukommt: Den Verlust lieber Menschen spüre ich persönlich an Weihnachten viel brutaler und elementarer als zu Ostern.
Mit Blick auf die Theologie hinter diesen Festen empfinde ich Ostern hingegen als um Längen aufreibender als Weihnachten. In der Adventszeit wird mir (wenn es gut läuft) immer lichter und feierlicher ums Herz, da fügen sich dann die brennenden Kerzen am Tannenbaum wunderbar in das emotionale Gesamtgefüge. Vor Ostern dagegen führt mich die Passionszeit (wenn ich sie mir bewusst mache) in eine nachdenkliche, selbstkritische Haltung, die im Karfreitag in die Gewissheit mündet: Gott ist tot. Und dann am Ostersonntag soll ich aus vollem Herzen „Christ ist erstanden“ singen, beim Osterspaziergang fröhlich grüßen und spüren, wie die Resonanz zwischen mir und der Welt, zwischen mir und Gott vibriert.
So eine Achterbahnfahrt der Gefühle und Stimmungen kann (wenn ich mich dem aussetze) überfordern. Oder zumindest hinterher nach Urlaub verlangen.
Am Sonntag ist Palmsonntag, die Karwoche beginnt, und mit Jesu Einzug in Jerusalem wird die enorme Bandbreite an Emotionen eingeläutet. Die Menschen sollen ihre Obergewänder auf den Boden gelegt haben, damit Jesu Esel nicht auf der staubigen Straße läuft. Sie sollen Palmenzweige geschwenkt haben und ihn wie einen König begrüßt haben. Voller Hoffnung, voller Sehnsucht, voller Energie. Wir ahnen, wie die Geschichte weitergeht …
Die Karwoche und Ostern sind deshalb emotional anspruchsvoll, weil die Gleichung Traurigkeit = Anstrengung und Freude = Leichtigkeit nicht aufgeht. Es ist das Wechselbad der Stimmungen, das herausfordert. Bitte lesen Sie das nicht als Beschwerde, im Gegenteil. Es geht in der Karwoche um nichts Geringeres als um die radikale Gottverlassenheit dieser Welt und an Ostern um nichts Geringeres als um Gottes Sieg über den Tod. Es ist wohl richtig, wenn das mehr von mir abverlangt, als ein leckerer, süßer Stollen. Das ist ein Weg, der nicht einfach ist, den ich aber jedes Jahr gerne gehe, weil ich glaube, dass es dabei um etwas geht, das kaum zu begreifen ist, aber das mich schon längst ergriffen hat.
Wenn Sie mitkommen mögen auf diesen Weg, besuchen Sie gerne unsere Gottesdienste in den nächsten Tagen. Und auch für Ihren ganz persönlichen Weg durch diese besondere Zeit wünschen wir Ihnen Gottes Segen!
Herzliche Grüße! Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tobias Heymann