Liebe Leserinnen und Leser,
Halbzeit – Fastenhalbzeit – jetzt ist die Hälfte der verzichtreichen Zeit vorbei und dann wird’s besser. Sonntag ist Lätare – das bedeutet: “Freuet euch“, klingt nach Weihnachten oder wie Ostern. In den katholischen Kirchen wird’s deshalb rosa auf dem Altar. Ja, etwas österliches weißes, helles Licht mischt sich unter das Violett der Passions- und Fastenzeit. Eben die Hälfte geschafft, ab jetzt geht es bergauf und alles wird leichter.
Aber wird’s denn leichter? Die alte Frage – ist das Glas halb voll oder halb leer? Im Fußballstadion hält die Trainerin oder der Trainer zur Halbzeit zuweilen eine Ansprache – die Jungs oder Mädels auf dem Platz sollen jetzt nochmal alles geben und bloß den Sieg nicht verspielen. Eigentlich kommt jetzt der schwere Teil, mit Krämpfen in den Waden und erschöpftem Atem. Oder denken Sie daran, wie sich nach einer anstrengenden ersten Tageshälfte und mit dem Mittagessen im Bauch die Aussicht auf die zweite Tageshälfte manchmal anfühlt: noch ein paar Stunden Erwerbsarbeit, die volle Waschmaschine, der dreckige Spülmaschine und ach ja, die Kinder kommen aus der Schule, erzählen, brauchen Aufmerksamkeit, wollen sich verabreden und dann will ich abends noch zum Sport oder mit der alten Schulfreundin telefonieren. Ist die zweite Hälfte wirklich immer so viel besser?
Und was kommt dann eigentlich? Was ist denn dieses Weiße des Osterlichtes, das sich ins Dunkle des Violetts mischt? Karfreitag und Ostern ist ein unglaublicher Vorgang, eigentlich unfassbar, kaum auszuhalten – da stirbt ein Mensch, wird hingerichtet und dann ist irgendwie am Ostermorgen das Grab leer – dann begleitet der Auferstandene die trauernden Freunde unerkannt auf ihrem Weg. Da zweifelt einer, Thomas, so sehr, dass er erst an eine Auferstehung glauben kann, als er den Finger in die Wunden Jesu legen kann, als er Blut und Eisen und Schorf spürt.
So ganz genau sicher bin ich nicht, ob ich in vier Wochen sagen kann: Jetzt ist alles gut und alles geschafft, wenn das Osterlicht leuchtet und die unglaubliche Geschichte ein weiteres Mal erzählt wird. Es ist alles recht vage, es ist alles so einzigartig unglaublich und eigentlich – auch nur eine Halbzeit. Denn ist es seit dem einen Ostern an dem Jesus von Gott – wie auch immer – auferweckt wurde, wirklich besser, anders, heller, rosiger, lichter geworden? Irgendwie nicht. Oder nicht immer. Und doch will ich nicht einfach alle Hoffnung hinpfeffern und so tun, als bliebe das Glas halb leer. Ich versuche Glück zu finden in der zweiten Hälfte, versuche Verheißung zu entdecken in dem, was kommt, was aussteht, in dieser zweiten Hälfte. Das Grab war, das Grab ist offen – für mich heißt das auch: Es steht noch etwas aus. Etwas, das sich schon jetzt feiern lässt ein kleines bisschen zumindest, als ein vorsichtiges Rosa.
Wir wünschen Ihnen einen wunderbaren Sonntag mit einer guten ersten und einer guten zweiten Hälfte. Und eine gesegnete Woche, für die das gleiche gelten möge, auf dem Weg Richtung Ostern.
Herzlich Grüße,
Ihre Pfarrer*innen Maraike Heymann und Tobias Heymann
Angaben zum Beitragsbild: Messkasel rosa (Sonntag Gaudete und Laetare), ehemals Speyerer Dom, jetzt Stiftskirche Neustadt/Weinstraße
(Ausschnitt)
Urheber: Altera levatur
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