Liebe Leserinnen und Leser!

Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.“ Diese Worte schreibt Paulus in einem Brief an die Gemeinde in Korinth. Es ist ein langer Brief, er beantwortet eine Reihe von Fragen, nimmt zu Problemen und Herausforderungen im Miteinander der Gemeinde Stellung, wägt ab, sortiert, ermahnt und ermutigt. Die Vielzahl der unterschiedlichen Themen erinnern an eine Dienstbesprechung oder auch eine Kirchenvorstandssitzung…

Und mittendrin steht ein Gedicht über die Liebe, das mit diesen Worten beginnt: „Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.“ Geht es dabei um Paulus selbst? Im Sinne von: Ich kann euch noch so gut zureden, noch so klug meine Worte wählen – ohne die richtige Haltung im Herzen würde davon nichts bei euch ankommen. Oder geht es um die Adressaten und Adressatinnen? Im Sinne von: Eure Gottesdienste können noch so fromm und beredt daherkommen – wenn ihr euch gegeneinander verschließt, bleiben sie leeres Getön.

Und hätte der Liebe nicht…“ Die Liebe ist eine Basis, die trägt und die die unterschiedlichsten Gestalten annehmen kann. Die romantische Liebe, die Liebe zur Familie, die Liebe für die Menschen, für die ich sorge, Liebe zur Natur, zur Schöpfung, Liebe für ein Hobby, eine Leidenschaft. Liebe kann als Begeisterung daherkommen, als Sorge oder gar Angst um jemanden und als Tatkraft. Liebe hat laute und leise Töne. Und in unserer Sprache klingt sogar das Wort „Liebe“ wie ein ganz besonderer Ton: Die Liebe beginnt mit einem stimmungsvollen „L“, mit einem Laut, den man singen und in die Länge ziehen kann. – Beim langen „ie“ muss man unwillkürlich lächeln. – Das „be“ am Schluss wird mit den Lippen geformt und erinnert an einen Kuss.

Ist Liebe ein Universalbegriff? Ein Wort, das ich benutze, wenn ich das Beste und Wichtigste meine, aber gar nicht so richtig sagen kann, worum es mir geht? Das ich vielleicht gerade dann gerne benutze, wenn ich meinem Ansinnen besonderes Gewicht verleihen will? Ich glaube, dass Liebe, über die ich nur spreche – und es sei es mit Menschen- und Engelszungen – schal bleibt. Aus Liebe etwas zu sagen ist da schon etwas anderes. Aus Liebe kann ich aber auch schenken oder singen oder etwas Bestimmtes tun oder auch lassen. Und deshalb ist es so gut, dass mitten im problemorientierten Brief an die Korinther dieses Gedicht steht. Die Liebe zu besingen stellt alles Gesagte unter ein besonderes Licht; Überlegungen, Argumente und Ermahnungen gelten nicht aus sich heraus, sondern müssen sich daran messen lassen, ob die Liebe zueinander die Triebkraft ist.

Es entlastet mich, wenn ich mir überlege, was ich alles aus Liebe heraus mache. Manchmal hat die Liebe dabei einen anderen Namen: Verantwortung oder Werte oder auch Glauben. Eines ist nicht deckungsgleich mit dem anderen, aber ohne Liebe wäre Verantwortung nur lästige Pflicht, Werte wären nur übernommene Regeln und Glaube wäre nur ein für-wahr-Halten. Etwas aus Liebe tun heißt nicht: Es geht immer leicht von der Hand. Jemanden lieben heißt nicht immer: Es gibt keinen Streit. Und zuweilen verwechseln Menschen auch Liebe mit Vereinnahmung. Wenn Sie das Liebes-Gedicht aus dem 1. Korintherbrief nachlesen (1.Kor 13,1-13), steht da nirgendwo: Die Liebe macht keine Fehler. Aber sie bleibt dran: „Die Liebe lässt sich nicht erbittern.“

Wir sprechen gerne davon, dass Gott die Welt liebt und deshalb seinen Sohn Jesus Christus in die Welt geschickt hat, sogar bis hin ihre tiefsten Abgründe, bis hin zum Foltertod am Kreuz. Gott liebt diese Welt heißt für uns: Gott bleibt dran an dieser Welt, bis hin zu den Orten, an denen es gottlos, lieblos, sinnlos zugeht.

Wir wünschen Ihnen für diese Woche, dass Ihnen viele verschiedene Formen der Liebe begegnen. Dass Sie entdecken, wie viel Liebe in Ihnen steckt. Und dass Sie die Orte, an denen Ihnen Lieblosigkeit entgegenschlägt, nicht verloren geben.

Herzliche Grüße

Ihre Pfarrer*innen

Maraike und Tobias Heymann