Liebe Leserinnen und Leser,
wir stolpern mit ein paar Zeichen und Komma in eine Bibelstelle, die in der Geschichte wichtig wurde – immer wieder: Röm 1,16-17. Paulus schreibt:
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben, wie geschrieben steht (Hab 2.4): »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«
Und schon stolpern wir in den Streit der ersten Christ*innen – Auseinandersetzungen gab es in der Kirche immer schon. Und Paulus, der war gut dabei – seine Briefe zielten darauf, Streit beizulegen oder seine Position zu erklären. Im Römerbrief ist das etwas anders – er stellt sich vor, denn er reist nach Rom. In den Gemeinden von Jerusalem bis Antiochia (heute Syiren) war er nicht mehr so gelitten – da kamen seine Argumente nicht gut an. Und Paulus sagt trotzig: Ich schäme mich nicht für das, was ich glaube. Gerechtigkeit kommt aus dem Glauben, nicht aus den Werken, Herkunft oder Geburt – Gerechtigkeit oder Gottes Liebe, dafür reicht der Glaube.
Und wir stolpern weiter, ins nasskalte Sachsen um 1517. Zwischen Kerzen und Feuern liest ein Mönch den Römerbrief, wieder und wieder, bis er stutzt: Der Gerechte wird aus Glauben leben! Er versteht: In der Kirche seiner Zeit stimmt was nicht, da wurde Seelenheil für Geld verkauft und erworben. Moment! Hammer, Nagel und Pergamente und los ging’s – Natürlich: Martin Luther – Reformator und begeisterter Leser des Römerbriefs. Er selbst schreibt, dass diese Bibelstelle für ihn der Anlass war, alles ins Rollen zu bringen – von den Thesenanschlag bis zur Reformation.
Diese Bibelstelle, die Einsicht von Paulus, hat Sprengkraft – Paulus überwirft sich wegen seines Glaubens wohl mit Jakobus, Jesu‘ Bruder – und macht sich auf den Weg nach Rom. Luther überwirft sich wegen der Einsicht mit der römischen Kirche. Und heute? Heute liegt dieser Text vor uns – nicht um wieder zu streiten, aber um zu träumen: von Gottes Liebe, die bedingungslos ist – nein, es gibt nur die Zusage: Aus Glauben, nur der Glauben, mit allem was dazu gehört, das reicht. Die ganze Sicherheit und Unsicherheit von Vertrauen: Wir wissen es nicht, aber wir glauben an Gottes Liebe und malen sie bunt in die Welt.
Spüren wir der Liebe nach! Sei es bei einem Spaziergang, sei es im Gottesdienst am Sonntag in Gronau, sei es der Blick in den Himmel und in die Augen der Menschen um Sie und uns herum! Vielleicht stolpern wir in etwas neues hinein – einfach so aus Glauben.
Einen wunderschönen Sonntag,
Ihre Pfarrer*innen
Maraike und Tobias Heymann