Sonntagsgruß für den 20. Sonntag nach Trinitatis, 30. Oktober 2022

Martin Luther hat mit seinem Thesenanschlag an die Tür der Wittenberger Schlosskirche am 31. Oktober 1517 einen tiefgreifenden Prozess in Gang gesetzt. Der Ablass, um dem es in diesen Thesen ging, war nur der Anfang. Letztendlich wollte Luther den Glauben wieder auf die tragfähige Grundlage stellen, die er ganz zu Anfang hatte: die Botschaft von der Liebe und Güte Gottes, die uns im Evangelium überliefert ist. Deshalb heißt die Kirche, die sich auf ihn gründet, ja auch evangelisch. Die Bibel sollte wieder die maßgebliche Richtschnur sein, nicht die im Laufe der Jahrhunderte angewachsenen Traditionen. Und damit auch die normalen Menschen die Bibel lesen und verstehen können, hat Luther sie ins Deutsche übersetzt.

All das ist relativ gut bekannt. Weniger bekannt ist, dass es solch ein Vorgehen schon viel früher gegeben hat. Keine hundert Jahre, nachdem die Evangelien aufgeschrieben worden waren, hat ein Schüler des Evangelisten Johannes an eine befreundete Gemeinde geschrieben und sie eindringlich ermahnt, sich auf die Grundlagen des Glaubens zu besinnen. „Ich schreibe euch kein neues Gebot“, formuliert er. Stattdessen ist es „das alte, das ihr von Anfang an gekannt habt.“ Er wendet sich damit gegen die Abwege, die er beobachten musste, gegen die Bestrebungen, eigene Traditionen zu entwickeln, gegen die Versuchungen, die die oftmals verführerische Umwelt bot (1. Johannesbrief 2,7-17).

Inhaltlich ist es die gegenseitige Liebe, die er der Gemeinde ans Herz legt. Denn sie ist die Basis, die ein gutes Zusammenleben innerhalb der Gemeinschaft überhaupt erst möglich macht. Wer seinen Bruder oder seine Schwester im Herrn hasst, lebt in der Finsternis. Nur wer gegenseitige Liebe lebt, hat den Kern der christlichen Botschaft begriffen.

Fremd ist uns diese Argumentation nicht, auch wenn wir sie wahrscheinlich nicht so pointiert formulieren würden. Aber der Johannesschüler lebte in einer äußerst angespannten Lage: Die christliche Gemeinde war eine kleine versprengte Gruppe, die nicht nur von anderen religiösen Gemeinschaften, sondern auch von der Obrigkeit bedroht war. Man konnte sogar sein Leben verlieren, wenn man sich aus Christ outete. Deshalb war der Zusammenhalt in der Gemeinde so wichtig. Sonst hätte es sie bald nicht mehr gegeben.

Wir können da entspannter sein. Denn auch wenn wir als Christen zunehmend weniger werden in unserem Land, braucht keiner um sein Leben zu fürchten. Aber auf unsere Grundlagen, auf das Evangelium und die Liebe und Güte Gottes sollten wir uns trotzdem besinnen – und sie am besten zur Richtschnur unseres Lebens zu machen.

Mit besten Grüßen und Wünschen
Ihr Pfarrer Michael Ebersohn

Wir laden herzlich ein zum Gottesdienst um 10.00 h in die Kirche in Gronau.
Aber Achtung: Die Sommerzeit endet, die Uhr wird eine Stunde zurückgestellt!