Wenn ein Schiff der Evangelischen Kirche im Mittelmeer Flüchtlinge rettet, ist damit Solidarität der höchste christliche Wert? Diese Frage stellte Eberhard Pausch bei der Podiumsdiskussion in der Ostheimer Kirche, bei der das Buch „Ethik der Kirche“ des Ostheimer Gemeindepfarrers und Professors an der Frankfurter Goethe-Universität Lukas Ohly vorgestellt wurde. Ohly betonte einen Vorrang des Rechts vor der Solidarität: Die kirchliche Gemeinschaft entstehe dadurch, dass sich Christen vorbehaltlos und wechselseitig als Christen anerkennen. Diese Gegenseitigkeit mache die Kirche zu einer politischen und damit zu einer Rechtsgemeinschaft. Solidarität mit den Nächsten könne nur auf Grundlage der rechtlichen Gleichheit der Mitglieder der Kirchengemeinschaft zum ethischen Wert werden.

Neben Dr. Eberhard Pausch, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Frankfurt, diskutierten auf dem Podium der Windecker Kirchenvorsteher und Hochschullehrer für Alte Musik, Diez Eichler, und Dr. Roman Winter, der an der Frankfurter Universität Theologie lehrt. Man spürte ein gemeinsames Bemühen, die ethischen Grundlagen der Kirche zu beschreiben. Umstritten war Ohlys These, die kirchlichen Dienste künftig nicht mehr durch die Finanzierungsbereitschaft der Kirchenmitglieder zu gewährleisten, sondern eine professionelle kapitalbasierte Vermögensentwicklung anzustreben. „Die bisherige Vermögenspolitik zielt auf Vorsorge, nicht aber auf Effizienz“, so der Ostheimer Pfarrer. Roman Winter wandte ein, dass Papst Franziskus zum wachstumsstarken Aktienmarkt feststellte: „Diese Wirtschaft tötet.“ Darauf antwortete Ohly: „Wenn die Kirche ihr Vermögen nicht effizient nutzt, tötet auch diese Wirtschaft.“

Natürlich kann in einer Diskussion zur Ethik der Kirche nicht das Thema der sexuellen Gewalt in der Kirche fehlen. Ohlys These, Kirche müsse sich auf Gewaltlosigkeit verpflichten, weil keine Form von Gewalt ethisch sei, ging aber den meisten Podiumsgästen zu weit. Pauschs Einwand, dass die Staatsgewalt ihre Bürger schütze, stand im Gegensatz zu Ohlys These, dass Gewaltinhaber grundsätzlich definieren können, was Gewalt ist und damit der Schutz jederzeit eingeschränkt werden könne.

Als Catharina Wellhöfer-Schlüter, die das Gespräch ruhig moderierte und das Publikum an der Diskussion beteiligte, zu einem Resümee aufforderte, waren sich alle einig, dass dieses Buch wichtige Fragen zur Zukunft der Kirche stelle. Diez Eichler betonte den Untertitel des Buchs: Die ethische Ausrichtung sei tatsächlich „ein vernachlässigtes Thema“. Und er unterstrich Ohlys Mahnung, nicht hastig neue Angebote zu offerieren, denn „die Kirche macht vieles richtig.“