Kunstausstellung mit Werken aus der Privatsammlung Harald Reiner Gratz in Oberrodenbach – Eintritt ist frei!
„Auch Protestanten brauchen Mythen.“ Mit diesem Bonmot zur Ausstellung „Bilder zur Reformation“ trug Landrat Thorsten Stolz in seinem Grußwort zur Erheiterung der mehrheitlich protestantischen Gäste bei. Kunstsammler und Mäzen Egbert F. V. Erbe und der Kirchenkreis Hanau hatten am Montagabend zur Vernissage in die Villa Bergstraße in Oberrodenbach eingeladen. Dort werden bis Anfang Juli ausgewählte Werke des Thüringer Malers Harald Reiner Gratz gezeigt. Zur Vernissage hatte der Künstler zwischen „Eröffnungen in Izmir, Ephesos und Hamburg“ einen Zwischenstopp in Oberrodenbach eingeschoben und stand unverstellt und nachdrücklich Rede und Antwort zu seinem künstlerischen Arbeiten. Eröffnet wurde die Kunstausstellung von Egbert V.F. Erbe und Dekan Dr. Martin Lückhoff. Das Haus mit Cello-Klängen erfüllte der Solocellist der Neuen Philharmonie Frankfurt, Gabriel Mientka.
Grundgedanke zur Ausstellung
2017 wurde im Angermuseum in Erfurt mit der Sonderausstellung „Harald Reiner Gratz: Luthers Stein in Schmalkalden und andere Merkwürdigkeiten der deutschen Geschichte“ an die Anfänge der Reformation 1517 erinnert. Eine besondere Auswahl der damals gezeigten Bilder kann nun in Oberrodenbach gezeigt werden. Neben zwei Leihgaben werden ausschließlich Werke aus der Privatsammlung des Künstlers präsentiert. Das Angermuseum Erfurt erläutert zur Ausstellung 2017: „Zu Martin Luthers Leben gibt es wohl ebenso viele historische Daten wie legendäre Erzählungen, die bis ins 20. Jahrhundert hinein untrennbar mit seiner Biografie verbunden wurden. Diesem Gewirr aus Geschichte und Legenden hat sich der in Schmalkalden lebende und arbeitende Künstler Harald Reiner Gratz zugewandt.“
Der Künstler und sein Werk
Harald Reiner Gratz, geboren 1962 in Schnellbach in Thüringen, studierte von 1985 bis 1991 an der Hochschule für Kunst und Design in Halle, Burg Giebichenstein und Freie Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei Hubertus Giebe und Werner Liebmann. 1994 erhielt Gratz das Atelier-Stipendium des Landes Thüringen für Bad Frankenhausen und ein Jahr später das Stipendium des Landes und der Stiftung Kulturfonds Berlin. Der Künstler war Preisträger beim Wettbewerb „Ästhetik im Alter“ der Stadt Offenbach/Main, Preisträger bei „12 Künstler für Weimar 99 und 1996 Glaskünstler in der Villa Romana in Florenz. Nach einem Arbeitsaufenthalt in New York und dem Arbeitsstipendium der Stiftung Kulturfonds Berlin im Jahr 2002 eröffnete Harald Reiner Gratz 2002 das Kunsthaus Schmalkalden. Er hat seit 2003 den Vorsitz des Kunstvereins Schmalkalden „kunst heute“ e.V. inne. Von 2007–2020 kuratierte Gratz für die DKB-Stiftung für gesellschaftliches Engagement in der Kunsthalle Rostock die Ausstellung „100 Jahre Kunst in Thüringen“. Seit 2019 leitet der Harald Reiner Gratz das Otto Mueller Museum der Moderne Schmalkalden. Seine Werke werden in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt.
Einordnung von Dekan Ralf Gebauer, Kirchenkreis Schmalkalden
Nicht als Kunstexperte, sondern als langjähriger Wegbegleiter und Freund ordnete der Dekan des Kirchenkreises Schmalkalden, Ralf Gebauer, die Bilder zur Reformation kirchengeschichtlich ein. Hierzu nahm er die Gäste mit auf eine kleine Zeitreise in das 16. Jahrhundert. Er erinnerte an den Schmalkaldener Bund von 1531, unter dessen Schutzraum sich der Protestantismus vertiefen konnte und gab einen Einblick unter die Oberfläche, in der Luther eine Sonderstellung mit seiner Unterscheidung zwischen Geist und Buchstabe oder zwischen Schrift und Gespräche einnehme.
Dekan Gebauer kennt Harald Reiner Gratz aus vielfältigen Zusammenhängen: als Künstler verschiedener Ausstellungen, als Vorsitzender des örtlichen Kunstvereins, als Mitglied des Kirchenvorstandes und aus der Zusammenarbeit gemeinsamer Projekte, darunter 2017 die 30 Emporen-Bilder für die Schlosskirche Schmalkalden und die Talkrunde zum Bilderzyklus „Beherrsch mich!! -Schmalkaldener Antithesen in 15 Lebensfragen. Gratz zeige in seinen Bildern eine Konzentration auf das Wesentliche, die in die Weite führe, so Dekan Gebauer. Gratz, der als Christ in der DDR gelebt habe und dennoch als Künstler gefördert worden sei, sei bei sich selbst geblieben. Dass am Ende alles ein Geschenk sei, auch eine Begabung zum Leuchten zu bringen, sei nahe am reformatorischen Gedankengut. Es tue gut mit Gratz einen „Mahner der Gelassenheit“ zu haben.
Harald Reiner Gratz interpretiert in der Regel seine Bilder nicht, daher ist der Katalog zur Museumsausstellung mit einem Interview eine besondere Ausnahme. Am Montagabend gab der Künstler zudem Einblicke in seine Arbeit als Kunstlehrer, Kurator und Maler.
Dekan Dr. Martin Lückhoff dankte in seiner kurzen Begrüßungsrede dem Ehepaar Erbe als Gastgeber und Mäzene. Er hob die Eigeninitiative und den Einsatz Erbes hervor, der diesen „Ort der Begegnung“ und den Blick auf die Reformation als ein „kunsthistorisches Ereignis“ realisierbar gemacht habe. Cranach, seine Bilder und Altäre, Porträts und alte Holzschnitte hätten eine lange, reformatorische Tradition. Der Blick auf Kunst schaffe aber immer wieder neue Zugänge, lasse Vertrautes in einem neuen Licht erscheinen.
Lesung der Autorengruppe „Wortspieler“
Die Autorengruppe hat – inspiriert von der Kunstausstellung – Texte verfasst, die in der Villa Bergstraße im Rahmen einer Autorenlesung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Es lesen Christine Bruckmann, Detlef Knoll, Klaus Hnilica und Martina Tornow. Die Lesung findet statt am Dienstag, 28. Juni, um 19 Uhr.
Ausstellungszeitraum und Öffnungszeiten
23. Juni bis 26. Juni und
30. Juni bis 3. Juli von 13.00 – 18.00 Uhr
Der Einritt ist frei.