Kirchenkreis Hanau und Muslimischer Arbeitskreis veranstalten gemeinsame Gedenkaktion zum 19. Februar

 

Klage und Hoffnung für Hanau
Nach nur zwei Stunden haben sich die Stellwände am Rande des Marktplatzes Hanau bereits mit zahlreichen Karteikarten gefüllt. „Klage“ lautet eine Überschrift, „Hoffnung“ die andere. „Ich klage an, dass den Menschen sinnlos Leid zugefügt wird“, steht auf einer Karte, eine andere fordert einfach nur „Gerechtigkeit“. Jemand schreibt „Ich fühle mich nicht sicher.“, ein anderer … „die Angehörigen nicht ihre Fragen beantwortet bekommen.“
Zum Jahrestag des rassistischen Anschlags am 19. Februar 2020 fanden in Hanau und darüber hinaus weiteren Städten Deutschlands zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt. Mit der Gedenkaktion „Klage und Hoffnung für Hanau“ haben der Kirchenkreis Hanau und der Muslimische Arbeitskreis Hanau (MAH) gemeinsam dazu eingeladen, schweren Gefühlen Ausdruck zu geben und hoffnungsvolle Gedanken zu formulieren. Das Angebot für Menschen in Hanau fand vormittags auf dem Marktplatz in Hanau und nachmittags auf dem Kurt-Schuhmacher-Platz in Kesselstadt statt.
Dekan Dr. Martin Lückhoff sagte: „Kirchenkreis und MAH sind am „Runden Tisch der Religionen“ in Hanau vertreten und führen seit vielen Jahren immer wieder gemeinsam Aktionen durch wie beispielsweise den gegenseitigen Friedensgruß in Kirche und Moschee. Im Laufe der Zeit ist zwischen uns ein vertrauensvolles Verhältnis entstanden.“ Yilmaz, Initiator des MAH, sagte: „Wir müssen zu der Einsicht gelangen, dass wir uns den Herausforderungen nur gemeinsam stellen können. Nur gemeinsam sind wir stark.“

 

 

Positive Rückmeldung aus der Politik
Die überwiegend positive Resonanz, im Vorfeld und während der Aktion, ist für die Akteure ein ermutigendes Zeichen und Ansporn zugleich. Große Zustimmung und Anerkennung fand die Gedenkaktion insbesondere bei Politikern der SPD, die mit Vertretern aus Bund, Land und Kreis vor Ort waren: Lennard Oehl (MdB), Saskia Esken (Parteivorsitzende), Christoph Degen (MdL), Landrat und Thorsten Stolz nahmen sich eine Stunde Zeit, um mit Veranstaltern und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Thorsten Stolz schreibt hierzu auf Facebook: „Eine gelungene Gemeinschaftsaktion, um ganz persönliche Gedanken und Empfindungen rund um den rassistischen Anschlag auszudrücken und zu formulieren. Besonders gut gefällt mir daran, dass die Hoffnung den Kern aller Botschaften bildet.“
Für den Kirchenkreis Hanau sind Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Kirchenkreis nach Hanau gekommen, um Passanten die Gedenkaktion nahe zu bringen. Sie führen zahlreiche Gespräche, nehmen zahlreiche Klagen und hoffnungsvolle Anmerkungen entgegen oder hören einfach nur zu. Für den MAH beteiligten sich die überwiegend jungen Frauen und Männer, die in der Jugendarbeit engagiert sind, an der Aktion.

 

Eine Aktion, zwei Orte , viele Klagen…
Klage, Dank und Ausblick sind Elemente jeden Gebets. Die Gedenkaktion ist ein Angebot für Hanau, sich zu erinnern, zu gedenken und einen Ausblick zu wagen, so Dekan Lückhoff. Die Menschen in Hanau nehmen das Angebot unterschiedlich wahr, einige schreiben, manche schauen nur oder wieder andere gehen weiter. Aber wirklich Ausblenden kann es niemand. Deutschlandweit wir das Attentat in Hanau als eine Zäsur begriffen und nicht nur hier stellt sich die Frage, wie eine Stadtgesellschaft künftig zusammenleben will. Vielfalt bedeute auch, sich die Unterschiede bewusst zu machen. Und das Zusammenleben müsse von gegenseitigem Respekt getragen sein, so Lückhoff.
Wie vielfältig Hanau ist, das spiegeln bereits die beiden Orte der Gedenkaktion wider. Am Rande des Marktgeschehens zeigen sich sehr viele Passanten interessiert, die Gespräche sind eher kurz. Vergleichsweise viele lassen sich darauf ein, sich den Fragen zu stellen. Ganz anders ist das Bild am Kurt-Schuhmacher-Platz in Kesselstadt. Hier in unmittelbarere Nähe des Anschlag- und Gedenkortes, an dem Blumen niedergelegt werden, ist die Schreckensnacht sehr präsent. Hier haben sich sehr viele junge Menschen am Aktionsstand versammelt, es ist erstaunlich ruhig und besinnlich, die Gespräche tiefgründiger, ernster. In Kesselstadt ist mit Ortsvorsteher Schreiber die Lokalpolitik vertreten. Kaum hingegen interessieren Passanten für die Aktion.

 

 

.. und noch mehr Hoffnung: positives Resümee und Ausblick
Durchgefroren, aber zufrieden mit dem Ergebnis der Aktion zeigen sich Dekan Lückhoff und Behlül Yilmaz. Sehr viele, sehr persönliche Anmerkungen Klagen und Hoffnungen wurden gesammelt. Die Karten sollen ausgewertet werden und, so zumindest erste Überlegungen, grafisch aufbereitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Konkrete nächste Schritte seien noch nicht geplant, so Lückhoff. Besonders erfreulich sei, dass die Hoffnungen deutlich überwiegen würden.
Ich hoffe … „dass WIR stärker sind“, steht da oder: „zum Leben finden“. „Wir leben gemeinsam in einer Welt“ schreibt jemand und: „Wir sollten einander zuhören und aufeinander zugehen.“