Sonntagsgruß für den Sonntag Septuagesimä, 13. Februar 2022

Haben Sie schon einmal eine Olympia-Medaille gewonnen? Nein? Dann vielleicht aber einen kleineren Wettbewerb in Ihrem Ort in Ihrer Jugend. Vielleicht haben Sie auch eine Ehrung erfahren für viele Jahre in Ihrem Lieblingsverein. Es kann also gut sein, dass Sie das Gefühl kennen, geehrt zu sein und gerühmt zu werden. Vielleicht nicht wie ein Goldmedaillengewinner, der zahlreiche Interviews führen muss, aber immerhin. Es ist ein gutes und ein schönes Gefühl. Es macht die Seele warm und hebt das Selbstbewusstsein.

Anders sieht es aus, wenn man auf die Idee kommt, sich selbst zu rühmen. „Eigenlob stinkt“, sagt man, und wenn man sich selbst für groß und bedeutetend hält, gerät man leicht in Verruf. Zurecht, würden die meisten sagen, denn es riecht nach Überheblichkeit und Selbstüberschätzung.

Da befinden wir uns in langer kirchlicher Tradition. Schon die Bibel warnt bereits in ihren ältesten Teilen vor Selbstruhm und Hochnäsigkeit. „Der Weise soll sich nicht we-gen seiner Weisheit rühmen, der Starke nicht wegen seiner Stärke und der Reiche nicht wegen seines Reichtums.“ Das hat seinerzeit der Prophet Jeremia formuliert und darin ein Wort Gottes gesehen (Jeremia 9,22). 2700 Jahre ist das her. Die Erkenntnis, dass Selbstruhm zu sozialen Verwerfungen führt, scheint also weit verbreitet. Offenbar haben die Menschen das schon immer so empfunden.

Bei Jeremia geht es allerdings nicht in erster Linie um zwischenmenschliche Reibungen. Er setzt anders an, höher, wenn man so will. Denn der einzige Grund, sich selbst zu rühmen, sagt er, komme aus dem Glauben an Gott und aus der Erkenntnis, dass Gott Liebe, Recht und Treue auf der Erde geschaffen habe. Und nicht der Mensch!

Natürlich darf ich stolz sein, wenn ich etwas erreicht habe, wenn ich geehrt werde oder einen Pokal erhalte. Diese Freude sollen wir uns nicht nehmen lassen. Aber als Christinnen und Christen haben wir noch einen anderen Grund, uns zu freuen und stolz zu sein. Denn wir haben einen Gott, der uns sagt: „Ich liebe dich!“ Und das nicht nur, wenn uns etwas gelingt, sondern gerade auch in unseren Misserfolgen. Seine Liebe gilt unabhängig von unseren Siegen. Sie gilt, einfach weil wir Menschen sind, die er geschaffen hat.

Das bedeutet dann aber auch, dass ich meine Misserfolge nicht als Urteil über mich begreifen muss. Ich darf mich über den undankbaren vierten Platz – wie es bei Olympia ja heißt – zwar ärgern, aber ich muss daran nicht verzweifeln.

Viel Erfolg im und mit dem Glauben!
Ihr Pfarrer Michael Ebersohn

Wir laden herzlich ein zur Telefonkirche um 10.00 Uhr – Telefon 06101 / 65 78 799 – PIN 2020.