Sonntagsgruß für den 1. Advent, 28. November 2021

Viele Menschen warten morgens auf den Zug. Andere warten auf den Hauptgewinn im Lotto. Manche warten auf den Partner für’s Leben oder auf endlich mal eine Eins in der Schule. Wir warten eigentlich immer auf irgendetwas, meistens sogar auf mehrere verschiedene Dinge. Und im Moment warten wir ja alle darauf, dass sich Corona verzieht und wir die ganzen Einschränkungen nicht mehr brauchen.

Die Kirche wartet im Advent auf Jesus, auf den, vom dem es schon vor alters her heißt, dass er kommen und den Menschen Heil, Wohlergehen und Frieden bringt. Aber sie weiß natürlich auch, dass Jesus schon gekommen ist, dass in ihm Gott selbst zu uns Menschen herabstieg in dem armseligen Stall von Bethlehem. Für uns Christinnen und Christen hat sich also die Hoffnung erfüllt und das Warten ein Ende. Wirklich?

Uns fällt es schwer zu glauben, dass die Welt mit der Geburt Jeus eine bessere geworden ist. Zu sehr sind wir in unserem Alltag gefangen, zu sehr warten wir noch, dass es auch in unserem Leben den großen Knall tut, zu wenig spüren wir von dem Frieden, von dem die Engel über der Krippe sangen. Erfüllung unserer Hoffnung sieht anders aus.

Die Bibel berichtet von einer ganzen Reihe von Menschen, die große Hoffnungen verkündeten, die dann doch enttäuscht wurden. Propheten nennt sie sie, und einer von ihnen ist Jeremia. Der hat vor über 2500 Jahren den Menschen gepredigt, dass Gott eines Tages einen neuen Retter schicken werde, der Gerechtigkeit, Wohlergehen und Frieden bringt (Jeremia 23,5-8). Ein neuer König David solle das sein, der lange vorher das Volk vereint und ein blühendes Reich gegründet hatte. Und Jeremia meinte damit einen richtigen König aus Fleisch und Blut, der aber in Gottes Sinn und in seinem Namen handelt.

Jeremia wurde enttäuscht, die Geschichte verlief anders. Und auch wir haben in Jesus keinen König bekommen, der in die politischen Geschicke eingreift und die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend ändert – auch wenn frühe Künstler bereits das Jesuskind im Arm seiner Mutter mit Krone und Reichsapfel dargestellt haben wie in der Figur am Kölner Dom in dem Bild oben.

Aber: Jesus hat nicht die äußeren Verhältnisse verändert, sondern die Menschen, sozusagen in ihrem Inneren. Der König, auf den wir im Advent warten, ist eben anders, als wir dachten. Denn die Liebe und Güte Gottes, die uns Jesus gebracht hat, verändert nicht die äußere Lage, sondern unsere Einstellung und Orientierung. Sie lässt uns friedlicher, getröstet und hoffnungsvoll sein und mit Liebe und Güte auf andere Menschen zugehen. Das ist die Botschaft von Weihnachten, auf die wir uns im Advent wartend vorbereiten. Jedes Jahr aufs Neue.

Eine gesegnete Adventszeit wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Michael Ebersohn

Wir laden herzlich ein zum Gottesdienst um 10.00 Uhr in der Kirche in Gronau.