Sonntagsgruß für das Reformationsfest, 31. Oktober 2021

Was machen Sie, wenn Sie etwas ausgefressen haben, wenn Sie sich schuldig fühlen und es auf Ihrer Seele lastet? Die Kirche vor vielen Jahrhunderten hat es sich da leicht gemacht. Durch die Beichte bei einem Priester und vor allem durch die Zahlung einer bestimmten Summe als Buße konnte man sich von seiner Schuld befreien. Ablass nannte man das.

Gegen diese Praxis hat Martin Luther bekanntermaßen gewettert und seine 95 Thesen an die Kirchentür geschlagen. Denn ihm war klar geworden: Kein Priester kann uns von unserer Schuld freisprechen, und schon gar nicht gegen Geld. Vergeben kann uns nur Gott, und allein er entscheidet, ob er das auch tut.

Das macht die Sache natürlich komplizierter. Denn ich kann mich nicht mehr darauf ausruhen, dass ich eine bestimmte Leistung erbringe. Ich muss für mein Verhalten selbst geradestehen, direkt vor Gott und ohne Umweg über einen Priester, Pfarrer oder die Kirche. Ob Gott mir vergibt, darum kann ich nur bitten. Mehr kann ich nicht tun.

Der Streit über den Ablass war aber nur der Tropfen, der das Fass um Überlaufen brachte. Luther und seine Mitstreiter wurden schnell viel grundsätzlicher. Sie haben ihren Glauben in neue Worte und Gedanken gefasst und sich dabei ausschließlich auf die Bibel bezogen, die Gute Botschaft, das Evangelium. Am Ende haben sie damit nicht nur ihre Kirche reformiert, sondern sogar eine neue geschaffen.

Auch Jesus von Nazareth hat anderthalb Jahrtausende vorher Ähnliches vollbracht. Auch er wollte seinen Glauben, den jüdischen, auf neue Füße stellen, wollte ihn klarer, zeitgemäßer, menschlicher machen. Und er wollte ihn von Fehlentwicklungen reinigen.

Nur dass Jesus nicht 95 Thesen brauchte, sondern nur acht. In den Seligpreisungen ist seine Botschaft kurz und bündig zusammengefasst (Matthäus 5,2-10). „Selig sind …“, so beginnen sie alle. Jesus spricht denjenigen Gottes Segen zu, die ihn am meisten brauchen, den Armen, den Leidgeplagten, den Barmherzigen, denen, die Frieden stiften. Gerade ihr Leben soll sich ändern, soll eine neue Orientierung bekommen. Und das nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern jetzt. Gerade sie sollen erfahren, dass Gott sie liebt, damit sie als selbstbewusste Menschen gesegnet ihr Leben führen.

Das wollte auch Luther. Deshalb hat er unter anderem die Bibel übersetzt, damit jeder sich direkt mit Gottes guter Botschaft auseinandersetzen kann. Denn weil man ja alleine vor Gott steht, soll man auch wissen, was er sagt. So gesehen ist der evangelische Glaube anspruchsvoller, weil ich selber denken muss. Aber Luthers Zutrauen, dass wir das können, trägt uns bis heute – und Jesu Seligpreisungen sowieso.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Michael Ebersohn

Wir laden Sie herzlich ein zum Gottesdienst um 10.00 Uhr in Gronau, in der Kirche.

Aber Achtung: In der Nacht vorher wird die Zeit umgestellt, eine Stunde zurück!