Gut möglich, dass Sie die Geschichte kennen. Da lässt ein Schäfer seine Herde allein zurück, um ein einzelnes Schaf zu suchen. Er hatte plötzlich gemerkt, dass es nicht mehr da ist. So macht er sich auf den Weg, um es wiederzufinden und zur Herde zurückzuholen.

Vermutlich würden wir das auch so machen. Das, was wir verloren haben, was wir vermissen, suchen wir normalerweise. Und wenn es ein Tier ist, geht es nicht nur darum, seinen Besitz wiederzubekommen, sondern dass das Tier keinen Schaden nimmt und womöglich leiden muss oder gar stirbt.

Jesus erzählt diese Geschichte (Lukas 15,3-7), die für seine Zuhörerinnen und Zuhörer vor 2000 Jahren noch viel alltäglicher war als für uns heute. Damals hatten fast alle wenigstens ein paar Schafe.

Aber ihm ging es dabei nicht um den Hirten, der sein Schaf zurückhaben will. Das ist ja völlig klar, darüber braucht er gar keine Worte zu verlieren. Jesus geht es um das Schaf! Denn er erzählt die Geschichte als Gleichnis, also als Geschichte, durch die hindurch etwas anderes deutlich werden soll. Und er erzählt sie als Antwort auf die kritische Anfeindung, warum er – Jesus – sich mit Sündern abgibt.

Und dann bekommt die Geschichte noch einen anderen Dreh. Denn auch wir fühlen uns manchmal verloren, von den anderen entfernt, als nicht zugehörig. Wir fühlen uns allein, orientierungslos, vielleicht sogar einsam und ängstlich, und hoffen darauf, dass uns jemand in das normale behütete Leben zurückholt.

Gründe dafür gibt es viele. Manche ziehen sich nach einem Schicksalsschlag zurück, weil sie die Gemeinschaft nicht mehr aushalten. Manche fühlen sich nach einem unbedachten Wort schuldig – oder sind es vielleicht sogar – und schämen sich. Manche haben etwas getan, was sie im Nachhinein bitter bereuen. Und es gibt auch welche, die haben nie wirklich dazugehört, weil sie anders sind und angeblich nicht in die Gemeinschaft passen.

Für sie alle gilt: Gott gibt ihnen eine neue Chance. Er sucht sie, weil sie verloren sind. Denn sie alle sind ihm wichtig, so wichtig sogar, dass er sich um jeden einzelnen sorgt und ihn zurückbringen will. Denn Gott selbst ist dieser Hirte, der sich auf den Weg macht.

Und mehr noch: Seine Güte und Liebe reicht sogar so weit, dass er auch noch denen vergibt, die völlig über die Strenge geschlagen haben und es nach menschlichem Ermessen gar nicht mehr verdient hätten. Wenn Sie ihre Taten bereuen, führt Gott auch sie zurück. Diese Geschichte vom Verlorenen Sohn erzählt Jesus gleich im Anschluss (Luks 15,11-32), um allen zu zeigen: So ist Gott!

Seien Sie gesegnet und behütet von Gott, der sich um uns alle sorgt!

Ihr Pfarrer Michael Ebersohn