Liebe Leserin, lieber Leser,
nach den hinter uns liegenden Festen und besonderen Feiertagen wird nun Sonntag für Sonntag die Fülle Gottes und ihre Bedeutung für das Leben entfaltet. Deswegen sind unsere Altartücher jetzt so grün wie die aufgehende Saat und das blühende Leben. Heute müssten sie allerdings eher blau sein, denn es geht um die berühmte Erzählung von Jona, der von einem Fisch verschluckt wurde. Er wollte vor dem Auftrag Gottes fliehen, wurde aber doch dazu gebracht, ihn zu erfüllen. Auf Gottes Wort hören ist in der Tat das Thema dieses Sonntags, aber diese kleine Geschichte enthält weit mehr als nur die Einsicht, dass man sich vor Gott nicht verstecken kann. Darum geht es heute.
Der Predigttext: (Jona 1,1 – 2,11)
1 Es geschah das Wort des HERRN zu Jona, dem Sohn Amittais: 2 Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen. 3 Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem HERRN nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weit weg vom HERRN. 4 Da ließ der HERR einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen. 5 Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde. Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief. 6 Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben. 7 Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf’s Jona. 8 Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, um wessentwillen es uns so übel geht? Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du? 9 Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat. 10 Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Was hast du da getan? Denn sie wussten, dass er vor dem HERRN floh; denn er hatte es ihnen gesagt. 11 Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer. 12 Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist. 13 Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an. 14 Da riefen sie zu dem HERRN und sprachen: Ach, HERR, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; denn du, HERR, tust, wie dir’s gefällt. 15 Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten. 16 Und die Leute fürchteten den HERRN sehr und brachten dem HERRN Opfer dar und taten Gelübde. 1 Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. 2 Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches 3 und sprach: (siehe das Gebet!) 11 Und der HERR sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.
Dazu ein paar Gedanken:
Liebe Gemeinde, wenn ich Ihnen die Stichworte Jona und Fisch sage, dann werden viele wohl die wunderbare Erzählung sofort im Ohr haben: Gott fordert Jona auf, nach Ninive zu gehen und die Menschen aufzufordern, von ihrer Bosheit abzulassen und ihnen die Strafe Gottes anzusagen. Doch Jona geht nicht nach Ninive, sondern flieht genau in die entgegengesetzte Richtung. Auf dem Meer wird er während eines Sturmes von einem riesigen Fisch verschluckt. Im Bauch des Fisches fasst Jona Vertrauen zu Gott und betet. Der Fisch spuckt ihn drei Tage später am Strand aus und nun geht er nach Niniveh, fordert die Menschen auf, ihre Bosheit abzulegen und tatsächlich hören sie auf ihn. Daraufhin verzichtet Gott auch gänzlich auf die Strafe. Happy End, oder? Nein, nicht ganz, denn Jona ist genau deswegen sauer und so sagt er es auch: „Ach Herr, genau deswegen bin ich doch erst geflohen, denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und deswegen auf die Strafe verzichtest.“ Im Kindergottesdienst hieß es früher oft, dass Jona Angst vor den Menschen in der großen Stadt Ninive hatte und Angst davor, unbequem zu sein. Und die Moral von der Geschichte ist dann, sich nicht zu wehren, sondern auch gegen Widerstände das Wort Gottes auszurichten und die Wahrheit zu sagen. Dem kann ich als Christ und Pfarrer natürlich nur zustimmen, aber das Entscheidende wird damit noch nicht deutlich, wie ich finde.
Ich lese und verstehe das Jonabuch mittlerweile von hinten her, also von dieser frustrierten Äußerung des Jona her. Warum Jona flieht, wird am Anfang auch gar nicht gesagt, aber hier erfahren wir es. Er hätte es lieber gesehen, wenn Gott konsequent geblieben wäre in seiner Strafandrohung. Stattdessen muss er damit klarkommen, dass für Gott Barmherzigkeit und Güte auch dann die erste Geige spielen, wenn die Menschen schon falsch gehandelt haben. Gottes Güte und Barmherzigkeit sind keine ausgleichende Gerechtigkeit. Der eigene Schmerz wird nicht dadurch gelindert, dass man dem Schuldigen den gleichen oder einen ähnlichen Schmerz zufügt, auch keine Geldstrafe. Was zählt ist vielmehr, dass die Bosheit eingestellt wird.
Auf Gottes Wort zu hören bedeutet nämlich gerade, Gott und den Nächsten zu lieben. Und zwar so, wie Gott es tut: mit Gnade und Barmherzigkeit, mit Langmut und Güte. Und wenn Sie nur mal einen Moment an die bei uns oft ausufernden Nachbarschaftsstreitigkeiten denken, erkennen Sie, welche Kraft man dafür aufbringen muss, nicht dem Drang nach Vergeltung nachzugeben, sondern das Gute zuzulassen und es behutsam zu pflegen und zu fördern. Im Blick hat man dann nicht mehr das angespannte Gesicht des Nachbarn, wenn er den Strafzettel öffnet, sondern man denkt vielleicht an ein gemeinsames Kaffeetrinken auf der Terrasse, wenn die Bosheiten abgelegt sind und Friede und gütiges Miteinander eingekehrt sind. Spätestens hier lässt sich nachvollziehen, dass es für Jona nicht leicht war und dass jeder von uns vielleicht ähnlich frustriert gewesen wäre. Gottes Gnade und Barmherzigkeit sind eine Zumutung für den menschlichen Drang nach Vergeltung.
Dem Jona wird das auch zuvor schon bewusst, nämlich im Bauch des Fisches. Am Ende seiner Möglichkeiten, den Tod uns das Nichts vor Augen, überlässt er sich ganz der Barmherzigkeit Gottes, spürt, dass er auch dort getragen und gehalten wird und stimmt noch im Bauch des Fisches ein Dankgebet an: „Als meine Seele verzagte, gedachte ich an den Herrn, und mein Gebet kam zu dir in deinen Heiligen Tempel. Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank Dir Opfer bringen.“ Starke Worte, wie ich finde. Jona sagt ganz am Ende des Buches, dass er mit Recht bis an den Tod zornig ist. Wir erfahren nicht, ob er noch vorher seinen Frieden fand, aber Gott lädt ihn dazu ein und die offene Frage gilt jedem, der dieses Buch liest: Kannst Du das Gute zulassen auch ohne Genugtuung? Ist nicht der Bestrafte als Mensch viel wichtiger als die Strafe? Das Wort Gottes lädt uns ein, Ja zu sagen und unsere Gnade nicht zu verlassen, sondern an dem festzuhalten, was selbst im Bauch eines Fisches spürbar war: die Nähe des gütigen und barmherzigen Gottes. Amen
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Erzählung von Jona gehört bei weitem nicht nur in den Kindergottesdienst. Es ist eine Lebensaufgabe, auf das Wort Gottes zu hören und deswegen barmherzig und gütig zu sein und eben nicht nach Genugtuung und Bestrafung zu streben, auch nicht bei den bösen Nachbarn. Je älter man wird und je mehr schlechte Erfahrungen man gemacht hat, desto schwerer tut man sich wohl damit. Es bleibt eine Herausforderung für das ganze Leben. Zum Glück trägt uns Gott nicht nur im Bauch des Fisches, sondern überall sonst auch. Das erfahren Sie hoffentlich immer wieder. Und wenn, dann lassen Sie es zu. Geben Sie dieser Erfahrung Zeit und Raum, um stark zu werden.
Gebet: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme. 4 Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, 5 dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. 6 Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. 7 Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott! 8 Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. 9 Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. 10 Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen. Hilfe ist bei dem HERRN.
Wochenspruch
Christus spricht: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich. Lk 10, 16a
So gehen Sie in die neue Woche in seinem Segen und unter seinem Geleit: Gott segne dich und behüte dich. Gott lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf Dich und schenke Dir seinen Frieden.
Es grüßt Sie herzlich,
Ihr Pfarrer Jens Heller