Pfarrer Bernd Laukel geht am 1. Mai in den Ruhestand
„Entpflichtet“ fühle er sich, sagte Bernd Laukel vor ein paar Wochen im Gespräch, entpflichtet von seinen Aufgaben als Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Hanau-Main-Kinzig, von der Verantwortung für über 40 Mitarbeitende, für Budget und Positionierung und vieles mehr. Das Ordinationsversprechen, das er als Pfarrer gegeben habe, das gelte selbstverständlich weiterhin. „Und das ist eine schöne Perspektive, dass Pfarrer sein weiter möglich sein wird.“ Selbstverständlich wird er Kolleginnen und Kollegen im Gottesdienst vertreten, wird er eine angefragte Hilfeleistung nicht ablehnen dürfen und er wird weiterhin „den Menschen ein offenes Ohr und ein offenes Herz schenken.“
„Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“ (Sprüche 31,8), heißt es im Alten Testament.
Das biblische Wort zieht sich wie ein roter Faden durch ein fast 40-jähriges Berufsleben, es ist für Laukel Motivation und Ziel zugleich. Im Rückblick kann er mit innerer Überzeugung sagen: „Pfarrer ist für mich der schönste Beruf der Welt.“ Im Spannungsfeld von Verantwortung, Verpflichtung und Freiheit folgte Bernd Laukel seiner Berufung. Stets ging es ihm darum, Menschen zu begleiten, zu fragen, was ist hilfreich. Sich selbst treu zu bleiben, seine Grundhaltung zu bewahren, das war für Bernd Laukel nicht immer einfach und auch er ging beruflich wie privat durch schwierige Phasen. Er habe in diesen Zeiten viel Unterstützung erhalten, so Laukel, und auch das ‚Rettende von Verpflichtung‘ erfahren. Diese Erfahrungen hätten seinen Blick auf Menschen geprägt. Mit Blick auf die Gesellschaft und die Aufgabe der Diakonie stand Bernd Laukel immer für eine klare Botschaft. „Das finden nicht alle gut.
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ (Psalm 31,9)
Mehr als ein Bibelspruch, eine Grundhaltung, die man ins Leben nimmt. Sie schließt den schwankenden Grund ebenso mit ein wie die Fülle der Möglichkeiten. Sie lässt Überheblichkeit und Gleichgültigkeit nicht zu und hält davon ab, sich selbst zu wichtig zu nehmen. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man in der Beratung sieht, es tut sich ein Lichtstreif auf für Menschen, die tief im Sumpf stecken“, beschreibt Bernd Laukel die Fallstricke seines Berufes. „Da schnappt man auch leicht über.“
Der Oberhesse Bernd Laukel ist im Marburger Land geboren und aufgewachsen. Nach wie vor schätze er die einfachen, die unverstellten und ungekünstelten Dinge. Dennoch sei er Genussmensch, „Man muss sich auch selbst Gutes tun. Ich beispielsweise esse gerne und genieße auch mal ein Glas Wein.“ Dass er einmal Theologie studieren würde, das lag vor allem an den positiven Erfahrungen mit der Kirchengemeinde und dem Pfarrer seiner Jugendzeit. Nach den Studienorten Marburg, Göttingen und Tübingen folgte von 1983 bis 1985 die erste Stelle als Vikar in Wabern-Harle. Nach dem Vikariat war Bernd Laukel bis 2002 Gemeindepfarrer in Niederaula und Kirchhain. Es folgte die Berufung in den Vorstand des Frankfurter Diakonissenhauses und 2009 zum Geschäftsführer des Diakonischen Werks Hanau, das 2017 zum Diakonischen Werk Hanau-Main-Kinzig fusionierte. „Leben verstehen – Wege zeigen – Handeln stärken“ ist nicht nur das Motto des Diakonischen Werkes, sondern „insofern auch mein Satz als ich ihn 2012 in unsere erste Imagekampagne eingebracht habe“, erinnert sich der Geschäftsführer.
Ein Sohn, zwei Töchter und ein Pflegesohn machten die Familie Laukel schließlich komplett. „Meine Frau und ich, wir waren beide berufstätig. Wir haben uns einfach eine große Familie geleistet und haben es nie bereut.“ Die Familie gab Halt in schwierigen beruflichen Phasen. Gleichzeitig erfuhr sie auch viel Unterstützung, als sich mit einer unheilbaren Krankheit ein früher Tod des Sohnes abzeichnete. Er freue sich nun im sogenannten dritten Lebensabschnitt darauf, dass für Kinder, Enkel und Ehefrau … mehr Raum zur Verfügung sei. „Und – das Leben hält immer eine Überraschung bereit“, ist Laukel offen für Neues.
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apostelgeschichte 5, 29)
Er habe das Pfarramt immer diakonisch verstanden, so Laukel. Das bedeutete, offen zu sein für Anfragen. In der Gemeindearbeit galt sein erstes Interesse der Frage, wem es schlecht gehe in der Gemeinde. Bereits in den 1980er-Jahren setzte er sich für Obdachlosen-Arbeit und die ambulante Pflege in seinen Kirchengemeinden ein. Vor der Berührung mit Krankheit und Ekel darf man keine Angst haben, es ist ein Stück Menschlichkeit, sich dem zu nähern. Der zunehmenden „Ökonomisierung des Sozialen“, die er als Geschäftsführer des Diakonischen Werkes hautnah miterlebte, stand Bernd Laukel durchaus kritisch gegenüber. So forderte er 2017 anlässlich der Fusion zum Diakonischen Werk Hanau-Main-Kinzig, „den theologischen Ort der Diakonie neu zu bestimmen, aber eben auch auf der Grundlage der dabei festgestellten Ergebnisse sowohl der unerträglichen Ökonomisierung des Sozialen einerseits wie auch einer scheinbar unaufhaltbaren Individualethik unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen.“ Der Geschäftsführer plädierte leidenschaftlich für ein wirklich evangelisches Profil der Diakonie:
Entweder Kirche und Diakonie denken sehr bald gemeinsam darüber nach, wie und ob man Effizienz und Ethik neu zusammenbekommt, oder so mancher pekuniäre und inhaltliche Pleitegeier schwebt nicht nur, sondern landet auch in mancher diakonischen Einrichtung.
Diakonie ist nicht nur Wesens- und Lebensäußerung der Kirche – vielmehr ist sie Sache der christlichen Gemeinde – oder sie ist nicht. Diakonische Existenz ist jedermanns und jederfraus Amt in der christlichen Gemeinde – und das neu einzuüben ist die eigentliche Zukunftsaufgabe und Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
…
Evangelisch gesprochen: Diakonie in Erziehung, Beratung und Pflege ist immer Arbeit und Gnade, Leistung und Geschenk, Fachlichkeit und Offenheit für eine Hoffnung – oder sie ist nicht. Eine solche Diakonie wird sich nie und nimmer kommerzialisieren lassen – und eben darin jeder Konkurrenz standhalten.
Ich spreche hier sehr bewusst von der zentralen protestantischen Erfahrung, nämlich davon, dass man tatsächlich aus Gnade leben kann, dass da, wo man denkt, es sei alles aus, alles verloren, sich Sinn neu einstellt; dass wir gehalten sind, gerade, wo wir denken, wir gingen verloren. Dass man aus der Enttäuschung leben kann, dass das vermeintliche Ende ein neuer Anfang ist.
Das predigt die evangelische Kirche. Und die Diakonie erlebt jeden Tag, was wir gerade an Weihnachten wieder inbrünstig gesungen haben: Welt ging verloren für jemanden, und er wurde neu geboren, konnte sich und andere wieder finden, Leben neu entdecken. Doch das geschieht nicht durch Ausweichen und Verstecken – sondern durch Hinschauen, Hingehen und Aufdecken.
Wie Jesus den Freunden auf dem Berg der Klarheit deutlich machte: nichts ist mit hier bleiben und Hütten bauen – da unten werden wir, werdet ihr gebraucht, so müssen sich auch Kirche und Diakonie – am besten gemeinsam – auf den Weg machen.
Unser jüdischer Bruder im Glauben Martin Buber hat zutreffend und zugleich herausfordernd uns Christenmenschen ins Stammbuch geschrieben:
„Denn wenn einer zu dir kommt und von dir Hilfe fordert, dann ist es nicht an dir, ihm mit frommem Munde zu empfehlen: habe Vertrauen und wirf deine Not auf Gott, sondern dann sollst du handeln als wäre da kein Gott, sondern auf der ganzen Welt nur einer, der diesem Menschen helfen kann, du allein.“