Gottes Liebe gilt
Liebe Gemeinde,
Freude fällt gerade schwer, wir hängen in einer ungewissen Zeit fest, von der wir noch vor wenigen Monaten dachten: Wenn es Frühling wird, haben wir es so gut wie überstanden. Und jetzt? Keine handfesten neuen Maßnahmen, aber auch keine wirkliche Aussicht, dass sich die Zahlen schnell verbessern. Ja, Freude fällt schwer in dieser Zeit. Und doch, heute ist der Sonntag Jubilate. Jubelt!
Kennen Sie das noch von sich, wenn Sie so richtig jubeln und jauchzen? Wenn das Herz von Glück erfüllt übergeht und Sie nach außen rufen und sich freuen? Zuletzt habe ich dieses Gefühl erlebt, als es kurz vor Weihnachten hieß: Die ersten Impfstoffe sind in Europa zugelassen, es wird nach Weihnachten losgehen mit dem Impfen. Das war eine richtige Erleichterung, eine innere Freude und auch ein Jubeln nach außen.
Ich erinnere mich aber auch an die WM-Spiele der deutschen Mannschaft in Brasilien. Ich war damals gerade im Predigerseminar und wir haben dort das Spiel gegen Brasilien zusammen angesehen. Vielleicht erinnern sie sich noch. Es war unfassbar, wie die deutsche Mannschaft da ein Tor nach dem anderen gegen die Brasilianer geschossen hat. Da konnte ich so richtig jubeln. Und noch viel mehr dann beim Endspiel, da lagen wir uns in den Armen: Wir sind Weltmeister!
Genauso, als die Eintracht gegen die Bayern den DFB-Pokal gewonnen hat, da sind wir im Wohnzimmer aufgesprungen und haben gejubelt und aus der Nachbarschaft haben wir überall dasselbe gehört.
Natürlich ist das auch eine Frage des Typs: der eine ist recht extrovertiert und kann daher viel von sich nach außen zeigen, der andere ist eher nach innen gerichtet und seine Freude ist eine stillere, zurückhaltende.
Aber: Wir kennen unsere Welt. Und die gibt uns bestimmt nicht immer Anlass zu dem, wozu der heutige dritte Sonntag in der Osterzeit einlädt:
So sehr sich die Welt seit der Zeit des späten Altertums gewandelt hat – in dem einen Punkt ist die Welt zu allen Zeiten immer gleich: Sie ist zugleich hinreißend schön und herrlich, dass wir sie lieben müssen, aber zugleich abgrundtief schrecklich und abscheulich, dass wir uns nur noch abwenden können.
Für das Erste können wir geltend machen, dass es Liebe unter uns Menschen gibt. Wo Menschen lieben, ist die Freude immer nahe. Genauso wunderschön ist die Welt, wenn wir auf einem Berggipfel stehen oder am Meer die Sonne untergehen sehen. Es ist schön, wenn wir ein Kind im Arm haben oder einen besonderen Glücksmoment erleben. Da wollen wir sie festhalten, die Welt. Da ist es leicht zu glauben.
Aber wir kennen auch die andere Seite: Sicherlich fällt da schnell ein: der Terror, der uns im letzten Jahr besonders nahe gekommen ist, und der Unfrieden in Palästina und im ganzen Nahen Osten und ja auch in vielen anderen Teilen unserer Erde.
Krankheiten, die sich ausbreiten – das erleben wir gerade hautnah – die Gefahren, die wir hören und die uns schaudern lassen: Erderwärmung und Klimawandel, Umweltzerstörung.
Das ist unsere Welt. Beides: Das Wunderschöne und das erschreckend Dunkle. Das Jubeln und das „tieftraurig Sein“ liegen eng beieinander.
Zu jeder Epoche, in jedem Kulturkreis und in jeder Religion empfinden Menschen diesen Bruch zwischen der Schönheit und der Schrecklichkeit unserer Welt. Und vor allem: Wir empfinden das als Riss, der durch unsere eigenen Herzen geht. Der Riss geht mitten auch durch uns hindurch. Auch wir haben das Abscheuliche und das Schöne in uns. Unsere Welt wäre nicht, wie sie ist, wenn das Herrliche und das Abscheuliche nicht ebenso in unseren Herzen wohnen würden.
Es geht von uns aus, was wir in unserer Welt erleben. Der Riss zwischen dem Schönen und dem Abscheulichen beginnt in uns und setzt sich fort in unsere Welt.
Es geht nicht darum, die Menschen in gute und schlechte einzuteilen. Dass dient ja eher dazu, sich selbst bei den guten einzureihen. Wer aufmerksam unser Menschsein wahrnimmt, merkt, dass Gut und Böse zwei Lebensweisen sind, die in uns wohnen und streiten. So ist unsere Welt: gespalten, weil wir gespalten sind.
„Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“, so sagt es ein Vers aus dem 1. Johannesbrief. Und das ist der entscheidende Gedanke. Das Kreuz Jesu ist der Ort, an dem das geschehen ist.
Ausgerechnet damit hat er unser Dilemma, unseren Riss geheilt und seine neue Welt auf den Weg gebracht. Wir sehen sie heute noch nicht. Erst am Ende aller Tage werden wir sie sehen. Bis dahin haben wir nur das Wort- sein Wort: Ja, es ist uns versprochen, dass sich in deinem und meinem Leben als Geheimnis neues Leben verbirgt, das den Tod übergreift. Das ist der Sieg. Grund des Jubels.
Das Vertrauen auf diesen Sieg zeigt die Dinge in einer anderen Perspektive: Wir können einen Menschen im Licht der Liebe Gottes sehen, die er am Kreuz Jesu offengelegt hat.
Oder: Wenn wir so richtig an der Zerbrechlichkeit und vor allem der Vergänglichkeit der Welt leiden, oder am Sarg eines nahestehenden Menschen, dann können wir spüren, dass uns unser Glaube leise sagt: Es ist nicht alles aus. Dann dürfen wir die Augen für die Unendlichkeit öffnen und uns sagen: „Mein Glaube ist der Sieg, der die Welt überwinden kann!“
Das wäre doch mal eine Erkenntnis zum Jubeln. Gottes Liebe gilt mir in alle Ewigkeit.
Mein Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
Gottes guter Geist leite euch auf Wegen des Friedens. Geht mit offenem Ohr für Gottes Wort und mit wachem Blick für sein Wirken.
Haltet zusammen als Gemeinde hier an diesem Ort und vertraut der Kraft der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist. Amen.
Bleiben Sie behütet!
Es grüßt Sie ganz herzlich
Ihre Pfarrerin Johanna Ruppert