In einer Fortbildung zum Thema „Geistlich Leben – Geistlich Leiten“ gehörte es zur täglichen geistlichen Übung, biblische Texte, die uns Teilnehmer*innen wichtig waren, miteinander zu teilen. Das war eine schöne Übung, die ich in der Kirchengemeinde im Kreis der Mitarbeiter*innen immer mal wieder aufgegriffen habe. Mit Menschen über das Buch der Bücher ins Gespräch kommen – auch ohne vorher einen wissenschaftlichen Kommentar dazu gelesen zu haben – macht mir Freude, stärkt und verbindet mich mit Menschen (auch mit ganz Unbekannten) und macht deutlich, dass man jeden Tag – ein Leben lang – im Wort Gottes etwas Neues finden kann.

Ich möchte mit Ihnen heute einen Vers aus dem Lukasevangelium teilen, der mich schon seit vielen Jahren in meinem geistlichen Leben begleitet. Es ist der Wochenspruch zum Sonntag Okuli: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lk9,62)

Als ich noch ein Kind war, war meiner Mutter wichtig, dass ich beim Gehen immer nach vorne schaute. „Schau nach vorne“, so höre ich noch heute, „sonst liegst du ruckzuck darnieder“. Und in der Tat – sie hatte oft recht. Wenn ich mich beim Laufen umdrehte, ohne nach vorne zu sehen, war die Gefahr recht groß, hinzufallen, zu stolpern und mir weh zu tun. Als leidenschaftlicher Radfahrer weiß ich heute: Wenn ich mich während des Radfahrens umdrehe, dann verlasse ich meine Spur und fange an Schlangenlinien zu fahren, dann verliere ich meine Klarheit und meine Orientierung (mir wird dabei schwindelig!). Und: Wenn ich für die anderen Teilnehmer*innen im Straßenverkehr kein verlässlicher Partner bin, dann bringe ich nicht nur mich in Gefahr. Aber worum geht es denn in diesem Text, der doch so ganz weit von einem zurechtweisenden „Siehst du, ich wusste doch, dass das so kommen wird.“ entfernt ist?

Das kurze Wort des Wochenspruchs steht zunächst einmal in einem größeren Textzusammenhang, in dem es um die Entschiedenheit in der Nachfolge Jesu geht.

57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. 59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! 61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Luther, 2017)

Beim Thema Nachfolge fällt mir immer ein Buch ein, das ich als junger Mann in einer für mich ganz wichtigen Zeit gelesen hatte: Mir war klar geworden, dass Gott in mein Leben getreten war; die Zeichen waren nicht mehr zu übersehen – es war also Zeit geworden, aufmerksam zu werden – sensibel hinzuhören und sich nicht ablenken zu lassen. Und so stieß ich in einer Klosterbuchhandlung auf Thomas von Kempen – ein großer Mystiker des 15. Jahrhunderts. Ich verschlang Thomas von Kempens Buch „Nachfolge Christi“. Noch nie war ich von einem Buch so ergriffen gewesen. Im Mittelpunkt stand die (Herzens-) Begegnung mit Christus und natürlich die „Imitatio“– die „Nachfolge“. Dabei war Christus nicht irgendwo zu suchen, sondern er zeigte sich dem offenen Herzen in der Stille. Er war ja bereits da und mir in Liebe zugetan. Ich brauchte nur meinen Blick auf ihn hin öffnen – musste am Geplapper der Zeit vorbeikommen. Ich bin sofort wieder in Gedanken in jener Zeit – bei den Anfängen meines Glaubensweges.

Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lk9,62)

Ja, am Anfang habe ich den Text als Mahnung mit Ausrufezeichen gelesen. Schau bloß nicht zurück! Du hast dich entschieden! Und jetzt musst du …. 1.) …. 2.)…. 3.)….

Erst im Laufe der Zeit las ich den Text als Einladung an die Seele: Schau auf Christus! Gib dich ganz in seine Hände: Innerlich und äußerlich – folge ihm nach – mit klaren Schritten. In ihm ist das Reich Gottes angebrochen! Halte dich an ihn! Öffne dich ihm, verlass dich auf ihn und gehe deinen Weg als Christ*in in der Welt so, wie sie sich dir zeigt, mit all ihren kleinen und großen Herausforderungen.

Jahre später, im Predigerseminar der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, haben wir im täglichen Abendgebet der Hausgemeinde immer so gebetet: „Unser Abendgebet steige auf dir, Herr, und es senke sich auf uns herab dein Erbarmen. Dein ist der Tag und dein ist die Nacht. Lass, wenn des Tages Schein vergeht, das Licht deiner Wahrheit uns leuchten. Geleite uns zur Ruhe der Nacht und vollende dein Werk an uns in Ewigkeit. Amen.

Und oft schloss sich dann dieses wunderschöne Abendlied (EG 474) an. Beides, sowohl das Abendgebet als auch das Lied bringen in schöner Weise zum Ausdruck, zu was der Wochenspruch in Lukas 9,62 einlädt:

1.Mein schönste Zier und Kleinod bist
auf Erden Du, Herr Jesu Christ;
Dich will ich lassen walten
Und allezeit in Lieb und Leid
in meinem, Herzen halten.
3.Dein Wort ist wahr und trüget nicht
und hält gewiß, was es verspricht,
im Tod und auch im Leben.
Du bist nun mein und ich bin Dein,
Dir hab ich mich ergeben.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

Andrew Klockenhoff
Schulpfarrer an der Bertha-von-Suttner-Schule, Nidderau