Du bist Gott heilig
Liebe Gemeinde,
in einer Sendereihe des Deutschlandfunk-Kultur am Ende des Jahres wurden Prominente unserer Zeit zu der Frage interviewt: Was ist dir heilig?
„Heilig ist mir meine künstlerische Freiheit“ sagt der Comic-Zeichner Ralf König. „Mir ist heilig, dass der Kaffee gut schmeckt“, antwortet der Schauspieler und Musiker Robert Gwisdek. Schauspielkollegin Nicole Chavalier findet: „Schlaf ist mir heilig“. Die Antworten reichen weiter über die Natur, Kunst und Kultur, die eigenen Kinder, Gräber von lieben Menschen, die man verloren hat, bis hin zu der Aussage eines Regisseurs: „Meine Yoga-Stunde ist mir heilig.“ Jugendliche sind da einiger: Hier rangiert auf die Frage „Was ist dir heilig?“ als Antwort ganz oben die Familie, dann die Freunde, später noch Freiheit und Freizeit.
Wenn wir jemanden fragen „Was ist dir heilig?“, dann meinen wir also eigentlich: Auf was kannst du auf keinen Fall verzichten? Was ist dir wichtig? Was darf niemand antasten?
Lesen wir heute also einmal, was der 1. Petrusbrief uns über Heiligkeit zu sagen hat:
13 Darum umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.
14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet;
15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.
16 Denn es steht geschrieben (3. Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«
17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben in Gottesfurcht, solange ihr hier in der Fremde weilt;
18 denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise,
19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.
20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,
21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.
Das Heilige ist also eine Zuschreibung, die erst einmal einzig und allein Gott gilt. In den Zeiten des Alten Testaments war dessen Heiligkeit den Menschen sogar gefährlich. Die Bibel erzählt, dass Menschen Gott direkt nicht begegnen durften, weil sie das nicht ertragen hätten. Auf keinen Fall durfte man ihn direkt ansehen.
Als der Tempel in Jerusalem gebaut wurde, da gab es in diesem Gebäude genaue Aufteilungen, wer bis wo hineingehen durfte. Männer, Frauen, Priester. Ganz innen war das Allerheiligste. Der Ort, wo Gott wohnte, so glaubte man. Davor war ein Vorhang aufgehängt. Dort hinein durften nur die Priester gehen. Der Zugang zum Heiligen war ihnen vorbehalten. Alle anderen mussten draußen bleiben. Heiligkeit also als Privileg für besondere Ämter.
Bis der eine Tag kommt, an dem sich alles ändert. Da kommt um die neunte Stunde eine Finsternis über das ganze Land. Jesus stirbt am Kreuz. Und der Vorhang im Tempel zerreißt von oben bis unten. Eine eindrucksvolle Szene mit tiefer theologischer Bedeutung. Der Vorhang vor dem Allerheiligsten zerreißt mit Jesu Tod. Und damit steht der Zugang zum Heiligen jedem Menschen offen. Es gibt keinen Vorhang vor dem Heiligen mehr.
Dass dieser Vorhang bei Jesu Tod zerreißt, ist also nicht nur Begleitumstand und Kulisse einer schauerlichen Kreuzigungsszene auf Golgatha. Es heißt so viel mehr: Dass mit Jesu Tod Gott uns Zugang zu ihm, zum Heiligen gewährt hat. Dass Gott uns Menschen in Jesus so nahe gekommen ist wie nie zuvor. Dass von nun an das Heilige nicht mehr den Priestern vorbehalten ist, sondern allen Menschen. Jesus stirbt für uns den Tod am Kreuz – und macht uns damit zur Gemeinschaft der Heiligen.
„Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“. Der heilige Gott gibt uns Anteil an seiner Heiligkeit. Ohne, dass wir dafür etwas tun mussten. Wer aber darum weiß, dessen Einstellung zum Leben ändert sich.
Da ist zum einen mein Verhältnis zu mir selbst. Wie würde manche Einstellung, auch manche Entscheidung in Bezug auf uns selbst und unseren Körper aussehen, wenn wir aus der Gewissheit leben würden, dass wir Anteil an der Heiligkeit Gottes haben? Wären wir besser zu uns?
Zum anderen beeinflusst das das Verhältnis zu unseren Mitmenschen: Wie gehe ich mit den Menschen um mich herum um, die so wie ich Anteil an der Heiligkeit Gottes haben? Darf ich sie verachten, über sie reden, sie schlecht machen?
Und es beeinflusst mein Verhältnis zur Schöpfung, wenn sie Teil der Heiligkeit Gottes ist. Dann überlege ich, ob ich das Auto lieber stehen lasse, ob wirklich alles in Plastik verpackt sein muss. Ich ehre Gottes Heiligkeit, wenn ich das, was er erschaffen hat, die Welt und die Menschen, als heilig behandele.
Was ist dir heilig? Drehen wir doch die am Anfang gestellte Frage einmal um und stellen sie aus einer anderen Perspektive: Was ist Gott heilig?
Spätestens seit Ostern lautet Gottes Antwort: Ihr seid mir heilig. Du bist mir heilig. Weil Gott uns eben nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst hat, nicht mit Zauberei oder mit leeren Versprechungen. Wir sind heilig, weil Gott seinen eigenen Sohn für uns gegeben hat, weil wir mit seinem Blut erlöst sind. Deshalb ist unsere Würde unantastbar und deshalb hat unsere Hoffnung einen festen Grund. Wir sind die Gemeinschaft der Heiligen, weil wir Gott so kostbar und teuer waren, dass er Jesus in den Tod am Kreuz geschickt hat.
Was für eine Aussage! Ich bin Gott heilig. Nicht nur in meinen besten Stunden, sondern auch und gerade in meinen schlechtesten. Ich bin Gott heilig – mit meinem ganz normalen Alltag, zwischen Beruf und Kindererziehung, zwischen der Hektik anstrengender Tage und der Langeweile des Alltags. Ich bin Gott heilig – mit allen meinen Stimmungen und Launen, zwischen Himmelhochjauchzen und zu Tode betrübt, zwischen tiefer Trauer und spontaner Freude, zwischen Lachen und Weinen, Enttäuschung und Hoffnung. Ich bin Gott heilig – mit und trotz allem, was ich tue, mit Erfolgen und Scheitern, mit Gutem und Fehlern, mit meiner Hilfsbereitschaft und meinem Davonlaufen.
Dafür muss ich nichts tun. Das ist mir geschenkt. Dazu bin ich berufen. Als Mensch, in dem sich Gottes Bild spiegelt. Als Zeichen der Hoffnung für die Welt. Als Teil der Gemeinschaft der Heiligen.
Diese Heiligkeit schützt nicht vor Schmerz. Aber: Sie birgt in sich die Gewissheit, dass das Leid nicht alles ist. Die Welt hat vor Gottes Heiligkeit nicht Halt gemacht hat. Aber wir wissen auch: Durch das Kreuz von Golgatha sehen wir ein Licht schimmern. Das Licht unseres Heiligen Gottes, der im Tod schon mit neuem Leben auf uns wartet. Amen.
GOTT, der die Liebe ist, segne Euch
dass Ihr IHN seht auf den Gesichtern der Menschen,
dass Ihr IHN hört in den Worten derer, die mit Euch sprechen,
dass Ihr IHN spürt, wenn Ihr Gutes erfahrt und Gutes tut.
Bleiben Sie behütet!
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Pfarrerin Johanna Ruppert