Bei der Einführung und Amtsübernahme des neuen amerikanischen Präsidenten, Joe Biden, trägt Amanda Gorman, eine junge Frau, in leuchtend gelbem Mantel und rotem Haarband, ihr Gedicht „The Hill We Climb“ („Der Hügel, den wir erklimmen“) vor: „Der Morgen graut, und wir fragen uns, wo nur, in diesen endlosen Schatten, finden wir Licht? Da sind Verluste, die wir mitschleppen, die See, die wir durchwaten müssen. Der Morgen aber gehört uns und das, noch bevor wir’s wussten.“
Der Morgen graut. Die Nacht geht zu Ende. Aber wir fragen uns, „wo nur, in diesen endlosen Schatten finden wir Licht?“ Es ist von Verlusten die Rede, die wir mitschleppen. Jede, jeder von uns hat jetzt auch eigene Erfahrungen im Kopf und im Herzen. Albträume am Morgen? Bleiern? Danach ist das Aufstehen eine Befreiung.
In dem Bild vom Morgengrauen liegt eine große Gewissheit: So beginnt der neue Tag, so kommt ganz konkret Licht in unseren Alltag. Im biblischen Text für den heutigen Sonntag Estomihi steht Ähnliches: „Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen.“ (Jesaja 58,8) Jesaja sieht es hell werden. Er sieht unser Licht hervorbrechen wie die Morgenröte. Während wir aufstehen und aufbrechen, geht Gott hinter uns her und leuchtet unsere Wege aus. Vor uns wächst die Hoffnung. Mit jedem neuen Tag. Mit jedem mutigen Schritt. Mit Brot, das geteilt, mit einem Haus, das geöffnet wird. Das Brot und das Haus – sie werden zu Lichtblicken. Und wir werden für andere und andere für uns ein Morgenrot und erklimmen so gemeinsam Hügel.
Amen.
Bleiben Sie behütet!
Ihre Pfarrerin Elisabeth Krause-Vilmar