Ich erinnere mich an meinen ersten Kirchentag 1983 in Hannover. Ich war gerade 16 Jahre alt geworden und der „Junge Chor“ meiner Heimatgemeinde fuhr mit seinem Leiter – meinem Pfarrer – zu dem Großfest des christlichen Glaubens in der evangelischen Kirche. Fünf Tage – von Mittwoch bis Sonntag – waren wir unterwegs. Als Junger Chor Iserlohn taten wir unseren Beitrag zu dem alle zwei Jahre stattfindenden Großereignis bei, besuchten Vorträge und feierten Gottesdienste. Am Abend saßen wir in der Fußgängerzone und sangen aus dem Kirchentagsliederbuch „Kehret um, und ihr werdet leben“. Der Höhepunkt dieses Festes des Glaubens war jedoch der Abschlussgottesdienst im Fußballstadion. Rund 45 000 Menschen feierten im Stadion selbst – und über 90 000 Teilnehmer*innen insgesamt auf den Plätzen der Stadt – noch einmal gemeinsam einen Abendmahlsgottesdienst, bevor es dann mit Bus und Bahn zurück in die Heimat ging. Ich erinnere mich noch genau, wie sehr und nachhaltig mich dieses Fest beeindruckte und wie gestärkt und voller Glaubensfreude ich wieder nach Hause fuhr. Mit so vielen Menschen über den Glauben nachzudenken, gemeinsam zu singen und zu beten war ein ganz besonderes Erlebnis und ich weiß noch, wie gerne ich diese Momente hätte festhalten wollen.
An diesem letzten Sonntag nach Epiphanias hört die Gottesdienst feiernde Gemeinde das Evangelium aus Matthäus 17, 1-9 von der Verklärung Christi.
Jesus nimmt mit sich drei Jünger und führt sie allein auf einen hohen Berg.
Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!
Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!
Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.
Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.
„Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.“ – Petrus und die beiden anderen Jünger fühlen sich wohl. Sie fühlen und erkennen: Das, was wir sehen und erfahren, ist so einzigartig, das soll bleiben und nicht wieder aufhören. Wie nahe und verständlich mir das Ansinnen und der Wunsch des Petrus ist, werden sie doch zu Zeugen eines einmaligen Ereignisses: Die Gottessohnschaft Jesu wird ihnen deutlich vor Augen gestellt, sie machen leiblich die Erfahrung: Dem wir folgen, der ist Gottes Sohn. Nicht, dass sie das nicht schon geglaubt hätten, denken wir an das Wort des Petrus im Matthäus 16,16 „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“; Jetzt werden sie unmittelbar mit der Herrlichkeit Jesu als Gottessohn konfrontiert.
Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.“ Wie verständlich, denke ich bei mir, dass Petrus nicht wieder zurück will – hinunter vom Berg, zurück in den Alltag.
Auf dem Berg können sie nicht bleiben und so gehen sie zurück, hinab vom Berg, zugerüstet mit einem Auftrag „…den sollt ihr hören“. Sie müssen zurück in ihre Welt, in ihren Alltag – zurück zu ihren Lebensherausforderungen und zu all dem, was ihnen nicht nur Freude, sondern auch Sorgen und Leiden im Leben bereitet.
Ich – und ich vermute Sie kennen ähnliche – auch, aber nicht nur religiöse – Erfahrungen, wie ich sie mit dem Kirchentag 1983 in Hannover in Verbindung bringe: Da gibt es Situationen, die mit schönen, mich in der Tiefe ergreifenden Gefühlen einhergehen und von denen ich mir wünsche, dass sie eben nicht nur in den reichen Schatz der Erfahrungen und der dankbaren Erinnerung münden, sondern in ihrer ganzen Intensität ganz präsent bleiben.
Welche Gedanken kommen Ihnen dazu? Welche Erfahrungen, welche Situationen fallen Ihnen ein?
Die Jünger müssen wieder zurück. Sie können nicht in ihrer Festtagsstimmung ausharren. Sie gehen aber mit einer wichtigen Botschaft. Sie gehen mit dem Wort, das an sie erging: „…ihn sollt ihr hören“. Vergesst nicht, wenn ihr wieder in eurem Alltag angekommen seid, meinen Auftrag: Hört auf ihn!
Wir sind auf dem Weg und auch, wenn wir Menschen des 21. Jahrhunderts nicht mit Jesus auf dem Berg der Verklärung waren, so haben wir doch alles, was wir für den Weg als Christen in diesem Leben brauchen: Das Wort des Evangeliums! Das Wort Gottes, das wir suchen im Alltag zu leben.
Auf ihn sollt ihr hören! Wie hören wir die Worte Jesu in diesen Tagen der Verunsicherung, der Angst und Sorge um die Gesundheit derer, die in ganz besonderer Weise geschützt werden müssen? Was hält und trägt uns durch die Zeit auch jenseits der Pandemie? Auf was – auf wen verlassen wir uns so grundsätzlich in unserem Leben. Höre ich auf ihn und sein Wort!?
Und was sollen wir hören? Es sind Worte, die Licht in Dunkelheit bringen. Worte z.B. aus Matthäus 11,28 „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ oder eines, das mir vor vielen Jahren zur Konfirmation zugesprochen wurde „Ich will mich freuen des Herrn und fröhlich sein in Gott, meinem Heil“ (Habakuk 3,18).
Andrew Klockenhoff
Schulpfarrer an der Bertha-von-Suttner-Schule, Nidderau.